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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
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»Bitte.«
    »Hör auf mit dem Unsinn«, schnitt Marcy ihm das Wort ab. »Jedes Mal, wenn ich herkomme, putze ich am Ende, und in Wahrheit
     hast auch gehofft, dass ich genau das heute machen würde. Streite es bloß nicht ab, sonst bin ich weg.«
    Diesmal hob er beide Hände und ergab sich. Darauf wandte Aprils Mutter sich zum Spülbecken um und fing an, in einen der schmutzigen
     Töpfe Wasser laufen zu lassen. Ohne sich umzudrehen, rief sie: »April, hattest du nicht was zu tun?«
    Diesmal schlug April tatsächlich die Hacken zusammen, aber weil sie Turnschuhe trug, hörte man es nicht.
    Sie ging ins Wohnzimmer und fing an, die Zeitungen aufzuheben und neben dem kleinen, aus Ziegeln gemauerten Kamin zu einem
     Häuflein zu stapeln. Es war immer dieselbe Zeitung, der Ledger. Als ob es in Woodlake etwas gäbe, worüber es sich zu berichten
     lohnte. Nachdem sie fein säuberlich vier Stapel aufgetürmt hatte, hörte sie auf und besah sich die Fotos auf dem Kaminsims.
     Drei waren Schulabschlussbilder von ihrem Onkel Nick, ihrem Onkel Mike und ihrer Mutter, alle mit einer Matte. Meine Güte,
     was hatten die sich denn dabei gedacht?
    Die anderen Bilder waren von Grandma Clare, meistens Schnappschüsse. Einmal sah man sie neben einem Weihnachtsbaum, ein andermal
     neben Grandpa in einem Restaurant. Das dritte war ein Foto, das April gut kannte, weil ihre Mutter einen Abzug davon auf einem
     Bücherregal im Wohnzimmer stehen hatte. Grandma Clare stand vor der Haustür, zu beiden Seiten die Teenager Nick und Mike,
     die Arme hatte sie ihrer Tochter um die Schultern gelegt und sie dicht zu sich herangezogen. April schätzte, dass ihre Mutter
     damals um die zehn Jahre alt gewesen sein musste. April hatte es sich nie genau angeschaut, aber jetzt erkannte sie darauf
     einen vertrauten Ausdruck im Lächeln ihrer Mutter. Es war schon eine ganze Weile her, dass April sie so breit hatte lächeln
     sehen und so – April suchte nach dem passenden Wort –
gelöst?
    Bei einem anderen Foto war sie sich sicher, dass sie es noch nie zuvor gesehen hatte: ihre Großmutter in einer gestellten
     Atelierpose.April staunte, wie jung sie aussah. Auf allen Fotos, die April bisher gesehen hatte, ob im Fotoalbum ihrer Mutter oder auf
     dem Sims hier im Haus ihres Großvaters, hatte Grandma immer … nun ja, eben wie eine Grandma ausgesehen. Hier aber nicht.
    April nahm den Bilderrahmen hoch, um das Foto genauer zu betrachten. Ein schwarzes Kleid – oder vielleicht auch nicht, denn
     es war ja ein Schwarzweißfoto – und eine einzelne Perlenreihe. Schöne, schulterlange Haare. Sie hätte durchaus Model werden
     können oder Thema eines Songs. April zog ihr Notizbuch aus der Tasche, setzte sich in den Sessel ihres Großvaters und fing
     an zu schreiben.
    Bet you didn’t think
    When you had your picture took
    Someday you’d be a grandma
    Married to a … a … Kook?
    Sie kehrte zum Sims zurück, um sich das Bild noch einmal anzusehen. Wie die anderen war es von einer dünnen Staubschicht bedeckt.
     Aber anders als die anderen hatte es einen großen Fingerabdruck in einer unteren Rahmenecke. Der musste von ihrem Großvater
     sein, schloss April. Sie stellte sich vor, wie er mit dem Bild in der Hand vor dem Kamin stand, es eine Weile anschaute und
     dann wieder zurückstellte so wie April jetzt.
    Sie musste sich ein anderes Wort für
Kook
überlegen, beschloss sie.
    Die einzige Zeitung, die jetzt noch übrig war, lag um den Sessel verstreut. April sammelte sie auf. Dabei förderte sie einen
     überquellenden Aschenbecher zutage, neben dem eine Pfeife lag. April hob die Pfeife hoch. Sie sah so altmodisch aus wie eine,
     die vielleicht ein Dad in der Sendung
Nick at Nite
am Abendbrottisch rauchen würde, während er seinen aufmerksamen unddankbaren Kindern irgendwelche Weisheiten eintrichterte. April nahm den Aschenbecher und die Pfeife und trug beides in die
     Küche, wo ihr Großvater inzwischen am Tisch saß.
    »Keine so gute Idee, eine Pfeife und einen Aschenbecher unter den Zeitungen liegenzulassen. Grandpa. Sowas könnte einen Brand
     auslösen.«
    Er sah sie einen langen Moment an. »Du bist wohl in einer von diesen Hochbegabtenklassen.«
    »Seit wann rauchst du denn Pfeife?«, fragte ihre Mutter, ohne sie beide auch nur eines Blickes zu würdigen. Ihr Großvater
     nahm April die Pfeife ab und drehte sie in der Hand hin und her. April fand, dass er jetzt jünger aussah.
    »Habe ich früher schon geraucht, bevor ihr Kinder da wart«,

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