Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
Vom Netzwerk:
sprechen, aber sie redete, und ihre kleinen, im Speck
versunkenen Augen blickten fröhlich. Mahmut, so sagte sie, habe ihr so oft
erzählt, wie schön und gut Tijana sei, daß sie sie für häßlich und böse
gehalten habe, denn er sähe alles verkehrt. Er habe wirklich verkehrt gesehen
und sich geirrt, denn Tijana sei nicht schön, sondern wunderschön. Und sicher
sei sie auch gütig, ohne Spitzfindigkeit, Bosheit und Niedertracht, ihr Lachen
sei so gesund und heiter, wie sie es lange nicht gehört habe, und sie würde ihr
gern jeden Morgen begegnen, damit der Tag für sie einen schönen Anfang nähme.
Sie würde daraus schließen, daß auch ich nicht schlecht sei, denn böse Männer
machten böse Frauen. Vielleicht aber sei Tijana gegen so etwas gefeit, denn
ihre Augen verrieten, daß sie von sich aus und nicht um anderer willen gütig
sei. Obwohl vom Mann viel abhinge, der Mann sei das Gefäß, die Frau das Wasser.
Andererseits würde jeder Mann, der es mit sich gut meint, auf seine Frau hören.
Männer seien Kinder, und wenn sie noch so alt seien. Die Frauen seien
vernünftiger, sie wüßten, was für die Familie gut sei, sie übereilten nichts,
überlegten dreimal, besonders wenn sie Kinder hätten. Denn nur die Frau wisse,
was für Mühe es koste, sie auszutragen und großzuziehen, die Männer glaubten,
das sei nur Frauensache, selten seien sie eine echte Hilfe, oft richteten sie
sogar Schaden an, aber nicht aus böser Absicht, sondern aus Unverstand. »Was
können wir dagegen machen«, sagte sie fröhlich lachend, »sie sind eben
verrückt, wir haben sie nun einmal. Gott möge sie uns erhalten.«
    Mahmut blinzelte mit den
kurzsichtigen Augen und rieb sich langsam die Waden. Er vermied es, seine Frau
und ihre zwei Zähne anzusehen, die in der Mundhöhle schimmerten.
    Meinte sie ihn? Wenn dem so war,
beleidigte sie ihn in keiner Weise, denn nichts Häßliches war in ihren heiteren
Worten, nicht einmal verborgene Klage.
    Dann schickte sie uns beide an die
frische Luft, und wir traten auf der schmalen Veranda von einem Fuß auf den
anderen, um die feuchte Kälte abzuwehren.
    »Hast du gehört? Sie redet und redet!«
sagte Mahmut aufgebracht.
    »Sie redet, aber gescheit.«
    »Dich möchte ich sehen, wenn du
diese Weisheiten von morgens bis abends hören müßtest.«
    »Du bist ja nicht von morgens bis
abends zu Hause.«
    »Es reicht mir auch so.«
    Dann schwiegen wir, er dachte an
seine Sorgen, ich an Tijana. Was würde Mahmuts Frau sagen?
    Was konnte sie sagen, was wußte sie?
Sie hatte den Vorstadtwöchnerinnen geholfen, Beschwörungsformeln gemurmelt,
alles Gottes Allmacht überlassen, und sie waren gestorben oder hatten überlebt,
je nachdem, wie ihnen das Glück hold war.
    Was kümmerte es mich, was sie sagen
würde.
    »Das dauert aber lange.« Ich wies
mit dem Kopf zum Zimmer und trat von einem Bein aufs andere.
    »Es ist nicht lange, du bist nur
besorgt.«
    »Na und?«
    »Du hast keinen Grund. Frauen sind
wie Katzen.«
    Als uns Mahmuts Frau hereinrief,
schaute ich zuerst in ihr Gesicht. Wie war ihre Miene, heiter oder verlogen
tröstlich? Ich sah, sie strahlte vor Zufriedenheit. Dann ist alles gut, dachte
ich glücklich. Sie ist eine wunderbare Frau und versteht wirklich etwas von
der Sache.
    Tijana lächelte verlegen.
    »Es könnte gar nicht besser stehen«,
sagte Mahmuts Frau stolz und klopfte mit dem Finger auf Holz.
    »Tijana macht sich Sorgen.« Ich
wollte noch ein Wort der Ermutigung hören.
    »Jede Frau macht sich Sorgen. Aber
sie hat keinen Grund. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen, mein Herz, es
wird ganz glatt gehen, das sehe ich jetzt schon. Ich weiß, was ich sage. Wie
vielen Kindern ich auf die Welt geholfen habe, weiß ich selbst nicht mehr. Ich
allein hab vier geboren, also könnt ihr mir glauben.«
    »Vier?« fragte ich erstaunt.
    »Zwei leben, zwei sind gestorben.«
    Ich schaute Mahmut an. Hatte er
nicht nur von einer Tochter gesprochen?
    Statt seiner antwortete seine Frau:
»Unser Sohn ist in Mostar, er lernt das Goldschmiedehandwerk. Jetzt sind wir
beide allein.«
    Dann kam ihr ein Gedanke, während
sie sich in unserem ärmlichen Zimmer umsah: »Ihr habt es eng hier, Kinder. Was
meinst du, Mahmut, sollen sie zu uns ziehen?«
    »Es wäre ihr Schade, das im Winter
aufzugeben. Du merkst doch, wie die Bäckerei heizt, manchmal komme ich sogar
her, um mich aufzuwärmen.«
    »Auch wenn wir Streit haben, ist es
besser, allein zu sein«, scherzte ich, ohne mich vorher durch Blicke mit

Weitere Kostenlose Bücher