Die Festung
von der Schwangerschaft, alle Frauen hätten Angst (ich
wußte nicht, ob alle Frauen Angst hatten, ich sagte irgend etwas, um sie zu
beruhigen). Als sie das erste Kind erwartete, sei unser Leben schwer und voller
Aufregungen gewesen. Ihre Empfindlichkeit habe das nicht ertragen können. Jetzt
sei es anders, wir lebten ruhiger, es stünde nicht zum besten, aber auch nicht
schlecht. Es könne nur besser werden, niemals schlimmer. Das vorhin sei allein
meine Schuld gewesen, aber nun sei es vorüber, ich würde so etwas nie wieder
tun, ich schwöre es. Manchmal habe mir geschienen, es sei unehrlich, zu
schweigen. Jetzt schwiege ich, und ich glaube nicht, daß ich unehrlich sei.
Ihretwegen. Sie sei mir wichtiger als alles, wichtiger sogar als die
Aufrichtigkeit, sie sei meine ganze Sorge und mein ganzes Glück. Ich hätte mich
häßlich und grob benommen, aber warum habe sie es mir nicht eher gesagt? Warum
habe sie es verheimlicht, wo sie wußte, wie sehr ich mich freuen würde?
Ich wollte sie beruhigen, deshalb
sagte ich ihr nicht die ganze Wahrheit. Auch ich machte mir Sorgen wegen ihrer
Schwangerschaft und ihrer Angst. Was würde ihr dieses zweite Würmchen bringen,
das da heranwuchs? Schmerzen und Qualen? Zweifel und düstere Ahnungen?
Das also war die Ursache ihrer Unruhe,
das Geheimnis um die Entstehung eines neuen Menschen in ihrem Leib, die Sorge
um ihn und um sich, die Angst, daß sich wiederholen könnte, was sie schon
einmal erlebt hatte, nur jetzt vielleicht noch schlimmer als damals. Wer wußte,
wie sie sich gequält hatte, als sie allein und verlassen an das dachte, was man
nicht zu Ende denken konnte, weil es rätselhaft war und im verborgenen geschah.
Sie hatte mir Vorwürfe gemacht, ohne vielleicht den wahren Grund zu kennen, und
mir die Schuld an ihrer Pein gegeben. Leider mit Recht, denn wäre ich nicht
blind gewesen, hätte ich ihr durch meine Zärtlichkeit Linderung, wenn auch
nicht Heilung verschaffen können.
Sie hatte an die Schwangerschaft
gedacht, ich an Ramiz, und wir hatten einander angeschrien und die aufgestaute
Bitterkeit ausgespien. Sie konnte nichts dafür, alle Schuld lag bei mir.
Und dennoch – jetzt, da alles
vorüber war , war es schön, ich schämte mich ein wenig, ich liebte sie sehr,
wir verziehen einander die harten Worte, denn sie waren lächerlich, wir genossen die Wärme unserer Körper,
die ihr Geheimnis und meine Reue einander immer näher brachten, die Hitze des
Bäckerofens gehörte nur uns, vor dem Fenster wirbelte der Schnee, damit uns
noch behaglicher wurde, wir waren nicht mehr traurig oder unglücklich wie eben
noch, wenn auch auf ihrem Gesicht ein feiner Schatten der Besorgnis lag.
Die Macht der Liebe
Von gutem Willen erfüllt nach dieser Aussprache, die ich im
Scherz begonnen, im Zorn fortgesetzt und reumütig beendet hatte, bemühte ich
mich, Tijana nicht allein zu lassen. Sie brauchte meine Hilfe.
Eine schwangere Frau ist ein anderes
Wesen, das sich selbst fremd ist und verborgene Geheimnisse zu ahnen beginnt.
Alles, was unbewußt anwesend war, erwacht, verläßt die Schlupfwinkel der Seele,
drängt sich auf, will berücksichtigt werden. Und seine Wirkung ist stark. Die
Frau ist der vielen neuen Empfindungen nicht mehr Herr, sie kann sie weder
durch Schamgefühl noch durch Willensstärke unterdrücken. Ihre Eifersucht ist
die Angst vor Häßlichkeit, ihr Jähzorn der Drang, sich vom inneren Druck zu
befreien, ihre Unruhe ein Zeichen innerer Aufgewühltheit. Ihr Blut pulsiert
jetzt anders, die Drüsen sondern anders ab, die Organe verhalten sich anders,
das Gehirn arbeitet anders. Und sie hat keinen Einfluß darauf. Sie ist
Vorgängen ausgeliefert, die stärker sind als ihr Wollen, sie kann sie nicht
aufhalten. Das Geheimnis in ihr macht ihr auch die Welt zum Rätsel, und die
Ungewißheit gebiert den Gedanken an den Tod. Wenn ich sterbe, sagte sie so
geläufig wie: wenn ich mich erkälte.
»Was wirst du machen, wenn ich
sterbe?«
»Wirst du an mich denken, wenn ich
sterbe?«
»Wirst du wieder heiraten, wenn ich
sterbe? Sicher. Die Trauer um eine Frau ist wie ein Stoß gegen den Ellenbogen,
es schmerzt heftig, aber kurz. Alle heiraten wieder.«
»Red nicht solchen Unsinn«, bat ich
sie.
»Wirst du wieder heiraten, wenn ich
sterbe?«
»Nein«, antwortete ich, weil sie
mich dazu zwang, aber ich fand es lächerlich.
»Bist du denn so unglücklich mit
mir, daß du es kein zweites Mal versuchen würdest?«
»Ich würde vor Kummer sterben, so
sehr liebe ich
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