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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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Tijana
verständigt zu haben. Zum Glück lachte auch sie.
    Mahmuts Frau lachte ebenfalls.
    »Was das Streiten angeht, so werden
wir euch nicht stören. Ihr uns auch nicht. Streitet euch nur, danach ist die
Liebe süßer. Gut, wir warten bis zum Frühjahr. Aber mit einem Kind wird es hier
zu eng. Wie steht's mit dem Geld?«
    »Gut.«
    »Nicht gut, da bin ich sicher. Wenn
ihr in Not seid, komm zu mir, Kindchen, wir lassen dich nicht im Stich. Ein
wenig wird Mahmut geben, ein wenig ich, viel ist es nie, aber ihr braucht nicht
viel, genau wie wir. Du kannst auch so kommen, auf einen Schwatz, wenn du dich
allein langweilst.«
    »Ich bin nicht allein. Ahmet ist
da.«
    »Dann schick ihn weg, Männer
brauchen nicht im Haus herumzusitzen. Bei mir bist du herzlich eingeladen.«
    Einen guten Eindruck hinterließ mir
diese resolute Frau, die mit dem Leben irgendwie leicht zurechtkam. Sie nahm
alles von der heiteren Seite. Eure Wohnung taugt nichts? Kommt zu uns! Wir
werden mit euch teilen, was wir haben! Ihr wollt euch streiten? Warum nicht?
Ihr wollt euch lieben? Warum nicht?
    Ich kannte solche Frauen, oft hatten
sie meine Mutter besucht, immer heiter, unterhaltsam, selbstsicher, die ausgeglichensten
Wesen der Welt. Diese einfachen Vorstadtbewohnerinnen hatten das Geheimnis der
Ruhe und Zufriedenheit entdeckt, ohne es zu suchen. Alles erfreute, nichts
überraschte sie, sie verlangten nichts Unmögliches, sie waren gut, solange man
ihnen nicht auf die Hühneraugen trat, bissig, wenn man sie beleidigte, sie
waren klatschsüchtig, aber nicht allzu neidisch, scharfzüngig, aber
hilfsbereit, wenn jemand in Not war, sie wußten, daß das Leben schwer war, aber
vergossen darüber keine Tränen; stets wußten sie ihm etwas Schönes
abzugewinnen, und schön war für sie das Einfache, ein Blütenkelch im Garten,
eine Tasse Kaffee, eine Hochzeitsfeier in der Nachbarschaft, Gespräche, lange
Gespräche, bei denen alle laut durcheinanderredeten und Menschen und Dinge
meist von der komischen Seite sahen. Sie sparten, denn sie waren nicht reich;
sie kannten Genüsse, denn sie waren nicht arm. Sie waren wie die Kirschblüten,
die sich nur entfalten, wenn es nicht zu kalt und nicht zu warm ist. Armut
hätte sie mürrisch, boshaft, nörglerisch gemacht. Im Besitz von Reichtum wären
sie kalt gewesen, hätten sich von allem ferngehalten, immer voller Angst vor
einem offenen Scherz und echter Freude, niemals heiter.
    Auch Tijana war von Mahmuts Frau
bezaubert. Gott, wie gut sie ist, sagte sie entzückt, wie fröhlich, wie
zufrieden. Ein Glück, daß Mahmut ihr begegnet ist.
    Tijana war anders. Zu früh hatte sie
Schmerz, Einsamkeit, Unsicherheit kennengelernt. Auch meine Mutter war anders
gewesen, ständig in Sorge um den unzuverlässigen Vater.
    War ich zufällig auf Tijana
getroffen, oder hatte ich unbewußt das Ebenbild meiner Mutter gesucht? Ich
wußte es nicht, ich hatte mit einem inneren Sinn erspürt, was äußerlich nicht
zu sehen war. Offenbar hatte ich versucht, in die ersehnte Kindheit
zurückzukehren.
    Mahmuts Frau war ein Gottessegen,
aber ich wußte nicht, ob es mir gefallen hätte, wenn Tijana ebenso gewesen
wäre. Vielleicht hätte mich diese Einfachheit an ihr gestört. Vielleicht war
Tijanas Empfindlichkeit ein krankhaftes Zeichen für tiefere Gedanken und
stärkere Gefühle. Leid und Grübelei nahmen uns das sorglose Lachen.
    Aber ich glaubte nicht, daß Mahmuts
Frau kein Leid und kein Grübeln kannte. Offenbar gab es Menschen, wenn auch nur
wenige, die trotz schmerzlicher Gedanken einfacher Heiterkeit fähig waren. Die
dadurch sogar noch besser wurden. Ich wußte nicht, wie ihnen das gelang, aber
ich hätte es gern erfahren.
    Ich wunderte mich, wie offen sie
Tijana gefragt hatte, ob es uns an etwas fehle. Wenn Mahmut wütend war, weil
sie ihm kein Geld für Schnaps gab, bestahl er vorsätzlich seine Bekannten, um
sich und ihr Schande zu machen, ihr eine Bosheit anzutun und sie zu zwingen,
das Tuch mit dem Geld aufzuknüpfen, das sie im Busenausschnitt mit sich herumtrug,
damit er nicht alles sofort ausgab. Tijana hatte gesagt, daß uns nichts fehlte,
daß wir aber auch nichts übrig hätten. Mahmuts Frau hatte es geglaubt oder so
getan, doch beide wurden danach unzertrennlich.
    Eines Morgens sagte Tijana, sie
ginge zu Mahmuts Frau, wolle ein, zwei Stunden bleiben und zu Mittag wiederkommen,
um das Essen zu bereiten.
    Ich wunderte mich, ärgerte mich ein
bißchen. Also genügte ich ihr nicht, vergebens hatte ich mir und

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