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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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würde auch nach uns
und ohne uns bestehen. Würde alles verschwinden, wenn alle Menschen ausstarben?
Nein. Alles würde bleiben, was wir wußten und was wir nicht wußten, nur wir
wären nicht mehr. Es gab viele Geheimnisse, an die wir nicht herankonnten, von
ihrer Lösung ganz zu schweigen. Vielleicht war das größte Geheimnis und
Entsetzen der Tod. Auch wenn wir nicht an ihn dachten, er dachte an uns. Er
wartete an einer Ecke auf uns, die wir stets unvorbereitet waren, und alles war
vorüber. Umsonst waren wir diesen Erdenweg gegangen, umsonst hatten wir
gehofft, umsonst Verluste beklagt, umsonst Erfolge gefeiert, alles umsonst.
Der Tod machte das Leben sinnlos und alles, was im Leben geschaffen wurde. Und
hinter diesem Verhängnis lag undurchdringliches Dunkel. Man kannte das Ende,
aber man wußte nichts darüber. Abfinden konnte man sich damit nicht, aber es
war auch nichts daran zu ändern. Es geschah nicht nach unserem Willen, denn wer
wünschte sich wohl den Tod, sondern nach einem allmächtigen Willen, von dem wir
nur wußten, daß er unerbittlich und unbeugsam war. Vielleicht war es ein allumfassender
Geist, dem unseren unvergleichbar und unerforschlich, weil er sich unserer
Erfahrung entzog. Wenn wir ihn nicht erkennen konnten, so bedeutete das nicht,
daß er nicht vorhanden war. Er, Šehaga, sehe ihn nicht in Menschengestalt,
sondern als übernatürliche Kraft, als übernatürlichen Verstand, der die
sichtbare und unsichtbare Welt kalt lenkte. Es war vergeblich, ihn zu bitten,
vergeblich, ihn zu beschwören, denn er maß nicht mit menschlicher Elle, mit
welcher jedoch, das konnten wir nicht einmal erahnen. Ja, er selbst sage: Er
und sein, denn wir wußten weder, was es war, noch war unsere Sprache
imstande, auszudrücken, was unsere Gedanken nicht erfassen
konnten. Und wenn es so war, und sicher war es so, dann konnte man unmöglich
annehmen, daß dieser allumfassende Geist ein unredliches Spiel mit den Menschen
trieb, sie aus dem Nichts kommen, durch das Leben laufen und unwiederbringlich
ins Nichts gehen ließ. Das wäre sinnlose Vergeudung von soviel Kraft gewesen.
Viel wahrscheinlicher und logischer und weniger schmerzlich war es, zu glauben,
daß der Körper sterblich und die Seele unsterblich war, ein Teilchen der
allgemeinen kosmischen Energie, das uns bei unserer Geburt geschenkt,
zeitweilig abgetreten wurde, um nach dem Tod des Körpers selbständig
fortzuleben oder in ein Neugeborenes einzuziehen und so auf ewig
weiterzubestehen. Kein Wassertropfen ging verloren, er veränderte nur seine
Gestalt, wie konnte dann alles Menschliche verlorengehen? Es mußte so sein, daß
dem Leben ein höheres Prinzip zugrunde lag, nicht nur Sinnlosigkeit, übel,
Wahnwitz.
    Ich hörte und traute meinen Ohren
nicht. Das war ja der völlige Zusammenbruch dieses äußerlich so starken Mannes.
Er zweifelte an seinem klaren Blick, an seinem Verstand, seiner Erfahrung, er
zweifelte an sich und den Menschen, er hatte nicht mehr die Kraft, den Schmerz
zu tragen, der auf ihm lastete. War der Tod seines Sohnes daran schuld und sein
ohnmächtiger Zorn, daß er ihn nicht vor dem Verderben hatte retten können?
Dieser Tod erschien ihm allzu grausam, allzu sinnlos, er suchte für ihn die
Ursache in einem Willen, der von dem unseren unabhängig war, und für sich
suchte er Trost in der Unvermeidlichkeit des Geschehenen. Er war zu stolz,
zuzugeben, daß Menschen ihm diese Niederlage beigebracht hatten. Lieber mochten
die Götter daran schuld sein, ein allumfassender Geist, irgend etwas
Unbegreifliches. Auch das war grausam, aber es fügte sich in ein Geschehen mit
eigenen Gesetzen und Zielen, die wir nicht entschleiern konnten. Wenn auch der
Körper seines Sohnes gestorben war, die Seele lebte, dieser Tod war nur ein
winziger Augenblick der ewigen Existenz, er würde darüber spotten, wenn sich
ihre Seelen einst wiederbegegneten.
    Hätte er mir das unter vier Augen
gesagt, ich hätte nichts zu erwidern gewußt. Vielleicht wäre ich entsetzt vor
ihm auf die Knie gefallen und hätte ihn beschworen, Vernunft zu bewahren. Oder ich hätte weinend den
Kopf vor seiner Not geneigt. Sie war größer, als ich gedacht hatte.
    Aber er sprach nicht mit mir, ich
war nur ein zufälliger Zeuge. Würde Mula Ibrahim etwas sagen oder stumm
bleiben? Was konnte man schon auf soviel Verzweiflung entgegnen, die nach Trost
außerhalb menschlicher Logik suchte?
    Während Šehaga in scheinbar ruhigem
Ton seine tiefsten Qualen enthüllte, hielt Mula

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