Die Festung
Reichtum noch
Ansehen bieten, nur meine Liebe. Aber ihr genüge das nicht. Sie pfeife auf
meine Liebe. Was verlange sie eigentlicht von mir? Wohin solle ich sie
ausführen? In die Baščaršija, damit die jungen Männer sie anstarrten? Und
wie sollte ich von dem Feiertag gewußt haben, wo ich meine eigenen Heiligen vergessen
hatte, auch den Bairam hätte ich vergessen, wenn Šehaga mich nicht eingeladen
hätte. Sie behaupte, mich verwöhnt zu haben; geradezu großartig habe sie das
gemacht, sie beschimpfe mich, als hätte ich Gott weiß was angestellt. Es fehle
nur noch, daß ich das Haus nicht mehr verlassen dürfe und daß sie mir eine
Kette ans Bein lege.
Später schämte ich mich, weil ich
alles mögliche gesagt, und noch mehr, weil ich geschrien hatte, aber was konnte
ich machen, ich war meiner Erregung nicht Herr.
Und während ich Funken sprühte, weil
sie so ungerecht war, meine Güte nicht anerkannte, meine Liebe geringschätzte,
während ich schäumte, mich bedauerte, sie beschimpfte, kam Mahmut Neretljak ins
Zimmer.
Er blieb einen Augenblick stehen,
blinzelte mit den blutunterlaufenen, schläfrigen Augen, dann nickte er, als
entschuldigte er sich: macht nur weiter! Und ging schnell hinaus.
Seine komische Verlegenheit, seine
ungeschickte Geste, die wegen der Störung um Verzeihung bat, dämpften meinen
Zorn, nahmen ihm Schwung und Schärfe. Er war auf einmal verschwunden,
verdampft, verweht, und zurück blieb Unbehagen. Mahmut war aus der Fassung
geraten, so überraschte es ihn, daß auch wir uns stritten, und dann hatte er
es vertuschen wollen, indem er uns ermutigte, in dem fortzufahren, was wir
begonnen hatten und was alle taten.
Er hatte sich im selben Augenblick
entsetzt und wieder beruhigt, vielleicht enttäuscht, weil auch wir so waren,
vielleicht zufrieden, weil auch wir nicht anders waren. Vielleicht tat ihm
Tijana leid, denn er war Zeuge geworden, wie ich tobte und sie weinte, und so
war ich in seinen Augen der Tyrann und sie das Opfer.
Was ging es mich übrigens an.
Ich wußte, ich war schuld, ich hatte
mich hinreißen lassen, hatte ich nicht schweigen können, lachen, sie mit einem
Scherz unterbrechen, mit ihr in den Schnee hinauslaufen? Doch ihre ungerechten
Anschuldigungen hatten mich zu sehr betroffen. Ihr Zorn galt einem anderen, und
mich ließ sie ihn ausbaden. Das war nicht rechtens. Vielleicht war sie aber
wirklich mit diesem Leben unzufrieden. Dann liebte sie mich nicht.
»Ich glaube, du liebst mich nicht
mehr«, sagte ich vorwurfsvoll.
Aber ihr Anblick ließ den Vorwurf
nicht sehr laut werden. Sie saß geduckt auf der Truhe, das Kinn auf den Knien,
völlig abwesend. Mir wäre es lieber gewesen, sie hätte mir eine Szene gemacht.
»Das wäre ein Glück«, flüsterte sie.
»Was hast du dann?«
»Ich bin traurig. Ich kann dir nicht
sagen, wie traurig.«
»Warum?«
Sie zuckte die Schultern, kaum
merklich, wirklich bekümmert, wirklich unglücklich.
Ihr sei nichts geschehen, würde sie
sicher gesagt haben. Wie konnte sie dann grundlos traurig sein, lag es
vielleicht an einer Erinnerung, an der Vergangenheit, an der Ungewißheit eines
Augenblicks, an einem Gedanken ohne Flügel? Ich verstand die Trauer um das, was
war und was sein konnte. Aber wir waren eben nicht alle gleich, und ich würde
mich anscheinend an grundlosen Kummer gewöhnen müssen, würde mich abfinden
müssen mit einem Grund, den man nicht sah, der einem verirrten, erschöpften,
grüblerischen Gedanken entsproß.
Sie tat mir leid, ich konnte ihre
Hilflosigkeit nicht mit ansehen.
Ich setzte mich zu ihr, umarmte sie
zärtlich, um sie nicht noch mehr zu beunruhigen, und spürte, wie unglücklich
sie war. Was war mit ihr geschehen? Warum war ich so grob gewesen?
»Hast du gesehen? Es schneit.«
Sie antwortete nicht, hob nicht den
Blick. Etwas in ihr war stärker und wichtiger.
»Ich dachte, wir würden
spazierengehen. Alles ist weiß.«
Auch darauf schwieg sie. Gut, ich
würde warten, daß die körperliche Nähe das Ihre tat. Im Zank hatten wir uns
voneinander entfernt.
Dann sagte sie etwas. Ich verstand
es nicht, ihre Stimme war zu leise.
»Was flüsterst du?«
»Ich glaube, ich bin schwanger.«
»Schwanger? Wirklich?«
Sie nickte.
»Gott sei Dank! Für diese Nachricht
bekommst du eine Belohnung.«
»Ich habe Angst.«
Ihre Stimme war unsicher, kaum
vernehmlich. Aber ich hörte alles, ich erriet es.
»Wovor?«
»Ich weiß nicht. Vor allem.«
Sie brauche sich nicht zu fürchten,
sagte ich. Das komme
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