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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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an
sein Unglück als an seine Grausamkeit und an die seiner Feinde.
    »Sie sind mir zuvorgekommen, haben
mich überlistet, das ist alles«, flüsterte er mit blauen Lippen. »In irgend
jemandem habe ich mich getäuscht. Oder es gab kein Entkommen.«
    War es besser, nicht auf ihn zu
hören und ihn so sterben zu lassen im Zorn auf mich, oder sollte ich ihm
gehorchen, auf daß der Haß weiterlebte?
    »Soll ich einen Arzt holen?«
    »Rufe mir Osman!«
    Ich trat auf den Gang hinaus.
    Osman unterhielt sich mit dem
Gastwirt, einem Italiener, in einer merkwürdigen Sprache, die es nicht gab,
aber das schien beide nicht zu stören. Der Gastwirt erkundigte sich besorgt
nach dem Kranken, voller Angst, daß er in seinem Haus sterben und dadurch
andere Gäste abschrecken könnte, und Osman schwankte zwischen dem Verlangen,
sich an seiner Furcht zu weiden, und der abergläubischen Scheu, das Wort
auszusprechen, also hob er die Schultern, begnügte sich mit allgemeinen philosophischen
Betrachtungen (»alles liegt in Gottes Hand«) und hob die Augen gen Himmel.
    Ich sagte Osman, Šehaga sei sehr
krank und wolle ihn sehen.
    »Was hat er?« fragte er besorgt.
    »Ich hole einen Arzt.«
    »Ist es so weit gekommen? Vielleicht
bist du nur erschrocken. Aber muß ich immer so ein Pech haben? Der Teufel läßt
es nicht zu, daß ich zu einem Menschen werde, der auf eigenen Füßen steht.«
    »Geh zu Šehaga!«
    »Sofort. Ehrlich gesagt, mir kommt
seine Krankheit merkwürdig vor.«
    Er schien ein Verbrechen zu wittern.
    Der Gastwirt lehrte mich ein paar
italienische Worte und erklärte mir, wo der Doktor wohnte. Die dritte Straße
nach links, dann die zweite nach rechts, dann ein Stück hinunter, ein Stück
hinauf, dann wieder nach rechts, ich fand mich kaum zurecht und traf ihn nur
an, weil ihn gerade das Rheuma plagte.
    Mir fiel Mahmuts kranker
Kräutersammler ein, der andere kurierte und sich selbst nicht helfen konnte,
aber ich hatte keine Wahl. Irgendwie überredete ich ihn zu einem Besuch bei dem
Kranken: die Dukaten, mit denen ich nicht sparte, setzten seine knarrenden
Gelenke in Bewegung. Mit den Dukaten überzeugte ich ihn auch, denn weder
verstand er meine Sprache noch ich die seine (alle eingelernten Worte waren mir
entfallen, ich hatte mir nur bitte und Kranker gemerkt), und ich
dankte Gott, daß es Dinge gab, die allen Menschen gemeinsam waren. Ich wußte
nicht, was für einer er war und wieviel er von Krankheiten verstand, es hätte
mir auch nichts genützt, denn das Schicksal hatte dem unglücklichen Šehaga
wohl gerade ihn bestimmt. Über Rheuma schien er nicht viel zu wissen, doch
Šehaga litt nicht an Rheuma, und bei seiner Krankheit hätte ihm eher das Glück
helfen können als ein Doktor. Das Glück konnte ich nicht holen, diesen
keuchenden Dicken hatte ich gefunden. Wenn Šehaga Glück haben sollte, konnte
auch er es sein.
    Als wir in den Gasthof kamen, sahen
wir in Šehagas Vorzimmer den Wirt und seine Frau stehen, sie waren ver
zweifelt über das Unglück, das sie mit der Krankheit dieses Fremden betroffen
hatte, und dennoch so verblüfft über das, was im Zimmer vor sich ging, daß sie
wie angewurzelt standen und dem Arzt nur kurz erklärten, daß der junge Mann
Zaubersprüche hersagte.
    Ohne sich um sie zu kümmern,
vielleicht auch ohne zu wissen, daß sie anwesend waren, kniete Osman vor
Šehagas Bett, hielt dessen schlaffe Hand fest und sagte langsam seine bekannte
Litanei bosnischer Dorfnamen her, aber nicht fröhlich und voller Spott über
unser Elend wie sonst, sondern heiser und monoton, als verrichte er eine
qualvolle Arbeit.
    In dem Gasthofzimmer über dem Canale
grande, der durch die Stadt von Šehagas Träumen floß, erklangen inmitten des
betäubenden Karnevalslärms die düsteren Namen unserer Not: »Schlimmdorf, Schwarzer
Strudel, Moorhof, Dornheide, Brandstätten, Hungerfelde, Wolfsheim, Dorndorf,
Klagen, Schlangenheim ...«
    Plötzlich verkrampfte sich Šehaga
unter unsäglichen Qualen, blau im Gesicht, und erbrach häßliche Flüssigkeit auf
das Handtuch, das Osman ihm vorhielt. Vor seinem Mund stand Schaum.
    Der Arzt trat zu dem Kranken und
betrachtete ihn aufmerksam, ohne ihn zu berühren.
    »Wißt ihr, was er hat?« fragte er
kurz und ängstlich, wie mir schien. Wenn wir es nicht wußten, würde auch er
sich unwissend stellen. Scherereien mit dem Gericht konnte er nicht gebrauchen.
    Ich hob die Schultern. Mochte es so
aussehen, als ob wir nichts wußten.
    »Das Herz«, sagte Osman und wies auf
seine

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