Little Brother
Little Brother
Cory DoCtorow
Deutsch von Christian Wöhrl
Zulu-ebooks.com Edition
Das englische Original dieses Textes finden Sie unter http://craphound.com/littlebrother
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Kapitel 1
Ich bin ein Schüler an Cesar Chavez High in San Franciscos sonnigem Mission-Viertel, und damit bin ich einer der meistüberwachten Menschen der Welt. Mein Name ist Marcus Yallow, aber als diese Geschichte begann, kannte man mich als w1n5t0n. Gesprochen "Winston".
Nicht gesprochen "Wee eins enn fünf tee null enn" - es sei denn, man ist son planloser Schulleiter, der rückständig genug ist, das Internet immer noch "Datenautobahn" zu nennen.
So einen kenn ich, und der heißt Fred Benson - einer von drei Stellvertretenden Direktoren an Cesar Chavez. Der Typ ist so sympathisch wie ein Loch in der Brust. Aber wenn schon im Knast, dann doch lieber mit planlosen Wärtern als mit solchen, dies drauf haben, oder?
"Marcus Yallow", sagte er an diesem Freitagmorgen über Lautsprecher. Die Anlage taugt sowieso nicht viel, und dazu noch Bensons übliches Murmeln, dabei kommt was raus, das nicht so sehr nach Schuldurchsage klingt als vielmehr nach jemandem, der sich abmüht, einen schlechten Burrito zu verdauen. Aber Menschen sind gut drin, aus Audiokuddelmuddel ihre eigenen Namen rauszuhören - verschafft dir Überlebensvorteile.
Ich schnappte mir meine Tasche, klappte den Laptop drei Viertel zu - wollte die Downloads nicht abbrechen - und bereitete mich auf das Unvermeidliche vor.
"Melden Sie sich unverzüglich im Büro der Schulleitung." Meine Gesellschaftskunde-Lehrerin Ms. Galvez verdrehte die Augen, und ich gab den Blick zurück. Der Typ hatte es immer auf mich abgesehen; nur weil ich durch die Schul-Firewall durchkomme wie durch nasse Tempos, die Schritterkennungs-Software austrickse und die Schnüffelsensoren zerlege, mit denen sie uns tracken. Egal, Galvez ist ne Gute, die dreht mir aus so was keinen Strick (zumal ich ihr mit ihrer Webmail helfe, damit sie mit ihrem im Irak stationierten Bruder reden kann).
Mein Kumpel Darryl gab mir nen Klaps hintendrauf, als ich an ihm vorbeikam. Den kenn ich schon, seit wir Windelkinder waren und die Vorschule schwänzten, und ich bring ihn ständig in die Bredouille, aber ich hau ihn auch immer wieder raus. Ich reckte die Arme hoch wie ein Preisboxer, ließ Gesellschaftskunde Gesellschaftskunde sein und machte mich auf den Büßerweg ins Büro.
Auf halbem Weg meldete sich mein Handy. Auch son No-no - die Dinger sind an Chavez High muy prohibido -, aber was sollte mich das stören? Ich verschwand im Klo und schloss mich in der mittleren Kabine ein (die ganz hinten ist immer am ekligsten, weil so viele dahin gehen und denken, dass es da nicht so stinkig und siffig ist. Wer klug ist, geht in die Mitte, da ist es am saubersten). Ich hatte eine E-Mail auf dem Handy - weitergeleitet vom PC daheim. Es gab da wohl Neuigkeiten bei "Harajuku Fun Madness", dem besten Spiel aller Zeiten.
Ich grinste. Freitags in der Schule zu sein war sowieso ätzend, und ich war dankbar für die Ausrede, hier wegzukommen.
Ich trottete weiter zu Bensons Büro und winkte ihm beim Eintreten zu.
"Na, wenn das mal nicht Wee eins enn fünf tee null enn ist", sagte er. Frederick Benson (Sozialversicherungsnummer 545-03-2343, geboren 15. August 1962, Mädchenname der Mutter Di Bona, Heimatort Petaluma) ist ne ganze Ecke größer als ich. Ich bin bloß mickrige 1,73, er dagegen gut zwei Meter; und seine Basketball-Zeit am College liegt so lang zurück, dass seine Brustmuskulatur inzwischen zu Hängetitten degeneriert ist, die in seinen Billigheimer-Polo-Shirts scheußlich gut sichtbar sind. Er sieht ständig so aus, als wolle er dich mit dem Arsch zuerst dunken, und er steht total drauf, seine Stimme zu heben, um auf Dramatik zu machen. Nutzt sich beides aber ab, wenn mans ständig wiederholt.
"Nö, tschuldigung", entgegnete ich. "Hab von Ihrer R2D2-Figur da noch nie was gehört." "W1n5t0n" buchstabierte er noch mal. Dann musterte er mich scharf und erwartete, dass ich klein beigäbe. Klar war das mein Nick, seit Jahren schon. Unter der
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