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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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Frau ernähren.
    Mahmut unterrichtete einige
Kaufleute, die begonnen hatten, mit Saloniki Handel zu treiben, in der
griechischen Sprache. Ich hielt auch das für Hochstapelei, aber die Leute waren
zufrieden, sicher verlangten sie wenig, denn Mahmut konnte ihnen nicht viel
bieten. Wenn er Geld oder Lebensmittel brachte, schrieb er auf, wieviel wir
ihm schuldeten, um uns nicht zu beschämen.
    Tijana arbeitete bei dem reichen
Muharem-aga Taslidžak, dem Bruder des Serdar Avdaga (später erfuhr ich, daß Avdaga
ihr diese Arbeit vermittelt hatte, auf Bitten meines ehemaligen Brotherrn Mula
Ibrahim. Ich wußte nicht, über wen von beiden ich mich mehr wundern sollte).
Sie half Muharem-agas Frau Rabija-Hanuma beim Ankleiden und Zurechtmachen,
salbte und schminkte sie stundenlang. Das fortgeschrittene Alter erforderte und
der Reichtum ermöglichte solche Prozeduren. Tijana erklärte, für sie sei das
mehr Spaß als Arbeit, und es ermüde sie durchaus nicht. Es sei ihr sogar
angenehm, nicht nur des Geldes wegen, das sie fast umsonst bekäme, sondern
auch, weil sie die Vormittage nicht allein verbringen mußte. Es war auch nicht
weit, Muharem-agas Obstgarten grenzte an unseren Hof, sie brauchte nur durch
die Gartenpforte zu gehen.
    Einen oder zwei Monate war sie
dieser merkwürdigen Arbeit nachgegangen, als sie mir ganz außer sich eine unglaubliche
Geschichte erzählte: Rabija-Hanuma hatte einen Geliebten. Sie schien vergessen
zu haben, wann sie einmal jung gewesen war; seit vierzig Jahren war sie mit
Muharemaga verheiratet. Verliebt hatte sie sich in einen jungen Mann, der mit
seinem Vater, Ibrahim Paro, in unserem Hof über dem Pferdestall wohnte. Der
junge Paro war fünfundzwanzig Jahre alt, Rabija-Hanuma bald sechzig. Der
Liebhaber hätte fast ihr Enkel sein können.
    Ich lachte. »Eine Frau wird jung
durch die Liebe.«
    »Verrückt könnte man werden«, sagte
Tijana angewidert.
    »Du und die Liebe haben sie
verjüngt.«
    »Sie legt so viel Puder und Schminke
auf, daß ihre Haut nicht mehr zu sehen ist.«
    »Gott sei Dank!«
    »Und ihr Haar färbt sie schwarz.«
    »Was kümmert es dich.«
    »Sie redet nur von ihm, sie schämt
sich nicht einmal. Als hätte sie den Verstand verloren. Aber auch dieser Grünschnabel,
wie kann er nur!«
    Sie war selbst für den Vater Paro zu
alt.
    Niemand wußte, wer diese Paros waren
und wovon sie lebten. Das gleiche galt allerdings für die meisten Leute in
unserem Hof, auch für mich. Man sagte, daß sie aus Belgrad gekommen seien, daß
sie dort Gewalttaten verübt hätten, aber das waren wohl Vermutungen, denn sie
pflegten mit niemandem Umgang. Bekannt war nur, daß sie aus der Schlacht bei
Chotin heimgekehrt waren, sie hatten in einer Einheit gedient, mit der ich
nicht zusammengetroffen war.
    Tijana beschloß, nicht mehr zu
Rabija-Hanuma zu gehen, sie konnte die Schmach und Schande nicht mit ansehen,
und ich war sofort damit einverstanden, einmal weil ich alle ihre Entschlüsse
guthieß, und zum anderen, weil ich meinte, daß man den Teufel nicht
herausfordern und zulassen sollte, daß ein schöner und stattlicher junger Mann
(plötzlich fiel mir auf, daß der junge Paro sehr gut aussah) neben der
gebeugten Greisin, dem buntbemalten Grab, ständig eine junge und schöne Frau
vor Augen hatte. Wenn er blind war, so konnte er eines Tages sehend werden,
wenn er ein Schuft war, konnte er eines Tages von beiden begehren, was sie
anzubieten hatten.
    Ob er ein Auge auf den Schmuck der
Hausherrin geworfen hatte, bekümmerte mich nicht, sie würde ihm ohnehin alles
geben, was er forderte, aber für eine einzige Wimper meiner Frau hätte ich ihm
das Herz aus dem Leib gerissen.
    Als ich ihr das sagte, wurde sie
böse wegen meiner närrischen Gedanken. Wie könne mir so etwas einfallen, sei
ich etwa der Meinung, jemand brauche nur zu winken und jede Frau käme
angelaufen? Die Männer seien eingebildet und verdorben, es gäbe viel mehr
anständige als ehrlose Frauen ... So ging es weiter, bis ich zugab, daß sie
recht hatte, doch insgeheim war ich zufrieden, weil ich mir keine Sorgen darum zu
machen brauchte, was geschehen konnte oder nicht. Ich vertraue dir wie mir
selbst, aber bleib bei mir, so ist es am besten. Denn jeder hätte den bloßen
Gedanken, daß eine Greisin sich in einen Jüngling verlieben könnte, als
unsinnig zurückgewiesen, und dennoch war es geschehen.
    Unter lebenden Menschen kann alles
geschehen.
    Ein paar Tage darauf hielt mich der
Serdar Avdaga auf der Straße an und fragte,

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