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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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betrunken.«
    »Du hast in der Trunkenheit geredet,
was du nüchtern denkst. Im Rausch hast du dich nur verraten.«
    »Worte sind Luft, was für Schaden
können sie anrichten?«
    »Worte sind Gift, mit ihnen beginnt
jedes Übel.«
    »Dann laß uns schweigen.«
    »Wir brauchen nicht zu schweigen.
Man kann sich unterhalten, ohne andere anzugreifen. Helfen muß man, nicht
schaden. So ist das mit dem Staat, tausend Sorgen und Nöte, den eigenen Grund
und Boden kann man nicht verwalten, wie es sich gehört, geschweige denn so
viele Menschen regieren. Und dann kommt einer daher und fängt an zu sticheln:
Dies taugt nicht, und jenes taugt nicht. Ja, ganz recht. Es ist ein wahres
Wunder, daß es überhaupt noch weitergeht. So viele Menschen, und jeder zieht am
eigenen Strang. Meinst du, die Menschen haben es leicht, die den Staat lenken?«
    »Nein.«
    »Sehr richtig. Aber du gehst auf sie
los. Das ist natürlich einfach. Nehmen wir an, jemand kommt zu dir ins Haus und
sagt, daß du alles falsch gemacht hast. Was würdest du tun? Du würdest zornig
werden und ihn hinauswerfen. Und du hättest recht.«
    »Das ist etwas anderes. Meine
Angelegenheiten gehen niemanden etwas an.«
    »Sicher ist es etwas anderes, wenn
es deine Angelegenheiten sind. Aber daß deine Angelegenheiten niemanden etwas
angehen, das stimmt nicht. Hier irrst du. Du lebst unter Menschen, du kannst
nicht gegen sie handeln.«
    »Womit handele ich gegen sie?«
    »Indem du sie angreifst. Warum?
Jeder wird denken: Er ist mit einer Ungläubigen verheiratet.«
    »Herrgott, ist das denn eine Sünde?«
    »Ihr Vater war gegen den Staat.«
    »Wenn er gegen den Staat war, so hat
er mit dem Leben bezahlt. Ich habe ihn nie gesehen und keine zwei Worte mit
meiner Frau über ihn gesprochen.«
    »Wenn du nicht lügst, dann hält
deine Frau etwas vor dir geheim. Den eigenen Vater vergißt man nicht so
schnell.«
    »Wahrhaftig, wenn ich gestern
gestorben wäre, hätte ich nicht erfahren, wessen man mich beschuldigt.«
    »Wenn du die Leute nicht beleidigt
hättest, wärst du auch nicht schuldig. Jeder muß auch bei sich einen kleinen
Teil der Schuld suchen.«
    »Dann werde ich auf ewig schuldig
sein. Diesen Toten kann ich nicht verschwinden lassen, als hätte es ihn nie
gegeben. Oder soll ich die Frau aufgeben, die ich liebe?«
    »Wer verlangt das von dir? Aber wer
einen Makel hat, der muß aufpassen, was er tut. Besonders wenn er nicht allein
ist. Warum sollen andere unter deiner Dummheit leiden?«
    »Hast du mich rufen lassen, um mir
das zu sagen?«
    »Nein. Es ging mir um das Gedicht.
Dies sage ich nur nebenbei, gesprächsweise, es wird weder dir noch mir schaden.
Die Menschen sehen anders aus, wenn man sich allein, ohne Zeugen mit ihnen
unterhält. Ich hatte dich für gefährlicher gehalten.«
    Ich dich auch, hätte ich fast
gesagt, so still und weich war seine Stimme.
    Was mochte an ihm so gefährlich
sein?
    Auf der Gasse trat mir Mahmut
Neretljak entgegen, als sei er zufällig vorübergekommen. Aber ich wußte, daß er
auf mich gewartet hatte. Er musterte mich verstohlen, prüfte meine Stimmung und
meinen Gesichtsausdruck, versuchte zu erraten, was bei Avdaga gewesen war. Ich
schwieg, scheinbar besorgt.
    »Was wollte er?« fragte er gewollt
unbeteiligt.
    Ich blieb stehen und sah ihn finster
an.
    »Es ging um dich. Er wollte wissen,
was du mit dem Räuber geredet hast.«
    »Mit welchem Räuber?«
    »Stell dich nicht dumm. Mit dem, für
den sie uns beide zur Verantwortung ziehen werden. Bećir Toska. Und mir
hast du gesagt, daß wir den Mund halten sollen. Jetzt werden sie uns als Spione
von Bećir Toska unter Anklage stellen.«
    Ich hatte ihm mit gleicher Münze
heimzahlen wollen, ihn die Angst vergelten lassen, die ich vor Avdagas Tür empfunden
hatte.
    Aber sogleich bereute ich den
schlechten Scherz.
    Mahmut sah mich zu Tode erschrocken
an.
    »Ich habe doch nur gesagt, was
wirklich war«, sagte er.
    »Und warum mußtest du das erzählen?«
    »Avdaga hatte mich doch in die
Dörfer geschickt, um etwas über Bećir Toska herauszubekommen. Was heißt
denn jetzt Toskas Spion, Ahmet, Bruder!«
    Das war es also! Ich hatte mir einen
schlechten Scherz erlaubt und die widerwärtige Warheit zutage gefördert. Das
war die Feuersbrunst, das waren die Zaubersprüche, derentwegen wir in die
Berge gegangen waren.
    »Wie konntest du mir das antun,
Mahmut? Und ich laufe dir und deinen schmutzigen Geschäften noch hinterher wie
der letzte Tölpel!«
    »Ich wollte es dir ja die ganze

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