Die Festung
groß. Wie jeder.«
Diesmal war sie sehr groß gewesen:
ich zählte fünfzig Groschen hin.
Ich tat für Mahmut die Hälfte
beiseite, er nahm das Geld gleichmütig entgegen, fand es weder zuviel noch
zuwenig. Er betrachtete es nur auf der offenen Hand.
»Wenn man etwas mehr von diesem
Dreck hätte, würde man ruhiger schlafen.«
»Was den Schlaf angeht, ist es so
besser, du brauchst keine Angst zu haben, daß man dich beraubt.«
»Da hast du auch wieder recht. Ich
schließe nicht einmal die Tür ab, wozu auch.«
Er wog das
Geld in der Hand und steckte es ein.
Ich fragte:
»Hast du immer gehofft, reich zu werden?«
»Jeder hofft auf etwas.«
»Und
jetzt?«
Er winkte
ab, lächelte rätselhaft und ging.
Das war die schöne Geschichte von
einem Mann, der zeit seines Lebens von Reichtum träumte und arm blieb, der mehr
unter der Hoffnung auf Reichtum litt als unter der Armut. Und jetzt mußte er
seinen Traum endgültig aufgeben. Wenn er konnte. Denn er hatte auch vorher
keinen Grund gehabt, an ein Wunder zu glauben. Nun, auf seine alten Tage,
brauchte er diese Torheit noch notwendiger.
Kurz darauf war er wieder da, mit
einer Lammleber in sauberem Papier.
»Das brätst du ihr, wenn sie wach
ist. Nicht vorher, damit sie nicht hart wird. Kannst du das?«
»Ist es
denn eine Kunst?«
»Das
nicht.«
Die erste Leber mußte ich
fortwerfen, die zweite, die ich kaufte, ließ ich anbrennen, so daß ich sie aß,
die dritte aß Tijana, aber ich glaube, mehr mir zuliebe, als daß sie ihr
geschmeckt hätte.
Nach ein paar Tagen stand sie auf
und machte sich langsam an ihre Hausarbeit.
So blieb nur die lustige Erinnerung
an meine Ungeschicklichkeit und nicht nur an die eine, Tijana lachte von
Herzen darüber.
»Möchtest du denn, daß dein Mann
sich auf Frauenarbeit versteht?«
»Nein, Gott behüte.«
»Warum lachst du dann?«
Ich sagte lieber nichts mehr, denn
sie hätte fragen können: Und worauf verstehst du dich überhaupt? Ich war ihr
dankbar dafür, daß ihr diese Frage nicht in den Sinn kam, obwohl sie sich
geradezu aufdrängte. Es hätte mir weh getan, hätte sie die Wahrheit gesagt.
Tatsächlich, worauf verstand ich
mich? Anscheinend auf nichts. Ich war ein solcher Tölpel, daß ich nicht einmal
eine Arbeit fand, die ich verrichten konnte. Und das war genauso, als könnte
ich gar nichts. Aber das war nicht meine Schuld, zum Teufel, und man konnte mir
deshalb keine Vorwürfe machen.
Also auch solche Kleinigkeiten waren
imstande, mich in Rage zu bringen.
Unter Vorwürfen hätte ich gelitten,
aber ich war unzufrieden, weil mich niemand ohne Grund tadelte, mir wäre
leichter gewesen, hätte ich beweisen können, daß ich keine Schuld hatte. So
hallte alles in mir wider, der eingebildete Vorwurf und die eingebildete
Verteidigung, nur in mir, wie ein Steinschlag in einer Höhle. In einer
Auseinandersetzung hätte ich mich irgendwie verteidigt, ohne sie blieben mir
die Zweifel. Etwas war mit mir oder mit der Welt nicht in Ordnung, oder es war
mit uns beiden in Ordnung, und wir konnten nur keine Verbindung zueinander
aufnehmen. Ob das irgend jemandem gelang? Vielleicht logen die Menschen und
taten, als gäbe es keine Barriere, vielleicht war ihnen das auch einerlei, und
sie wahrten bloß den Schein. Gab es irgendeine Verbindung zwischen dem
einzelnen und der Welt, außer dem Zwang? Ich hatte keine Wahl. Ich konnte mir
im Grunde nichts aussuchen, weder die Herkunft, die Familie, den Namen noch die
Stadt, das Land, das Volk. Alles war mir aufgezwungen. Noch seltsamer war, daß
ich aus diesem Zwang Liebe machte. Denn etwas mußte mir gehören, da alles
anderen gehörte, und so hatte ich mir die Straße, die Stadt, die Landschaft, den Himmel
angeeignet, den ich seit meiner Kindheit Tiber mir sah. Aus Angst vor der
Leere, vor einer Welt ohne mich. Ich klammerte mich fest, ich drängte mich auf,
meiner Straße war es gleichgültig, dem Himmel über mir war es gleichgültig,
aber ich wollte von dieser Gleichgültigkeit nichts wissen, ich gab ihnen meine
Gefühle, hauchte ihnen meine Liebe ein, auf daß sie sie erwiderten.
Den Menschen konnte ich meine Liebe
nicht einhauchen, und sie konnten sie nicht erwidern. Sie sahen mich kalt an, schätzten
mißtrauisch die Gefahr ab, die ihnen von mir drohte, und ohnehin verschlossen,
wurden sie beim ersten unerwarteten Wort, bei der ersten ungewohnten Bewegung
noch unzugänglicher, oder sie griffen zu ihrer Verteidigung sofort an, denn es
war ihnen lieber, zu töten als sich zu
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