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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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kratzte
sich das stopplige Kinn.
    »Andererseits ist der Tod auch keine
Lösung ...«
    Tijana erklärte aufgebracht: »Er hat
gewußt, was ihn erwartet, und sich nicht gefürchtet. Wie kannst du von ihm
verlangen, nicht er selbst zu bleiben?«
    So blieben
wir beim Ausgangspunkt, beim Nichts.
    »O mein Gott«, seufzte Tijana.
    »Was für
ein Unglück«, jammerte Mahmut.
    Aber sein unruhiger Sinn konnte
nicht beim Jammern stehenbleiben, er suchte nach einem Ausweg.
    »Wie wäre es, wenn du krank würdest?
Iß rohe Kartoffeln, davon bekommt man hohes Fieber. Und ich hole Avdaga her,
damit er es sieht.«
    In meiner Not erschien mir das
annehmbar, ich würde auch ohne rohe Kartoffeln krank werden, vor Angst und Pein
und Ausweglosigkeit.
    Aber damit konnte ich nicht viel
gewinnen. Wieso kam das Fieber ausgerechnet heute? Selbst wenn sie mir
glaubten; sie würden warten, daß es vorüberging. Ich konnte nicht ein Jahr lang
rohe Kartoffeln essen.
    Mahmut äußerte die Vermutung, daß
sie mich mit Ramiz allein lassen würden, dann konnte ich ihm sagen: So und so,
Bruder, rette mich, ich hin in großer Bedrängnis.
    Er vergaß,
daß Ramiz in noch größerer Bedrängnis war.
    So benagten wir lange diese mageren
Gedanken und fanden keine Lösung. Dazu hätte ich die beiden nicht gebraucht,
aber daß ich nicht allein war, machte mir die Sache leichter.

Trauer und Zorn
    Auch am nächsten Tag fand ich keinen
Ausweg, ich suchte schon gar nicht mehr danach. Vom nutzlosen Grübeln war ich
abgestumpft, das Gehirn drehte sich ohne Mahlgut.
    Ich wartete darauf, daß sie kamen,
um mich abzuführen, wohin sie immer wollten. Vielleicht würde ich auf diesem
Weg entscheiden, ob ich mich demütigen oder zugrunde richten sollte.
    Als jemand an die Tür klopfte, war
ich überzeugt, daß es der Serdar Avdaga war, den Džemal Zafranija nach mir
geschickt hatte. Er war mir als Schutzengel bestimmt, und nur der Tod würde uns
scheiden. Ich wußte nicht, wessen Tod, aber ich hätte es vorgezogen, wenn es
nicht der meinige war. Was sollte ich tun? Mochte er kommen, wenn es sich schon
nicht vermeiden ließ.
    Aber nicht der bang erwartete
schwarze Engel trat ein, sondern der unerwartete Osman Vuk, Šehagas Gehilfe.
    Er brachte seinen hübschen, blonden,
windgebräunten Kopf herein, sein Lachen, seine oberflächliche und scherzhafte
Art. Aber ich hatte ihn auch schon anders kennengelernt.
    »Was habt ihr denn? Ihr seht aus,
als wärt ihr beim Totengebet«, rief er lachend.
    »Bei etwas
Ähnlichem.«
    »Na und? Ist das ein Grund, den Kopf
hängen zu lassen?«
    »Wir haben
jemanden erwartet.«
    »Tut es dir
leid, daß er nicht gekommen ist?«
    »Durchaus
nicht. Der Teufel soll ihn holen.«
    »Wer ist
es? Was will er?«
    »Das ist eine lange Geschichte. In
welcher Angelegenheit kommst du? Wie ich höre, warst du schon gestern da.«
    »Das stimmt. Šehaga läßt dich grüßen
und bittet dich, zu ihm zu kommen. Auf ein Gespräch.«
    Ich war
erstaunt: Er hatte es zu Tijana gesagt.
    »Wen bittet
Šehaga zu sich?«
    »Dich, wen
denn sonst! Er hat gesagt: Grüße ihn und richte ihm die Bitte aus. Und ich
sollte mich unterwegs nicht aufhalten – im Kaffeehaus, meinte er –, sondern
zusehen, daß ich dich bestimmt finde. Also bin ich losgerannt. Ich habe schon
Angst gehabt, ich Dummkopf, daß ich dich wieder nicht antreffe.«
    »Ich bin immer zu Hause«, antwortete
ich vorsichtig. »Und warum sagst du Dummkopf?«
    »Weil ich nicht gescheit bin. Man
ist nie gescheit genug. Als wäre es schrecklich gewesen, wenn ich dich auch
nicht zu Hause angetroffen hätte!«
    Der bewundernde Blick, den er auf
Tijana richtete, sagte deutlich genug, warum er es vorgezogen hätte, mich nicht
vorzufinden.
    Wie hatte er sie am Vortag angesehen? Was hatte er ihr
unter vier Augen gesagt, wenn er in meiner Gegenwart so redete?
    »Es wäre nicht
schlimm gewesen, wenn du uns verfehlt hättest«, sagte ich ärgerlich.
    »Warum, mein Freund? Was habe ich
dir getan?«
    »Du weißt genau, was du getan hast«,
warf Tijana ein. »Ich mag solche Scherze nicht.«
    »Was ist nur mit euch los? Bin ich
euch auf die Zehen getreten? Ich habe nichts Böses im Sinn, bei meinen Kindern!«
    »Du schwörst bei deinen Kindern,
weil du sicher keine hast.«
    »Wer kann das wissen, junge Frau!
Aber ich habe keine bösen Absichten. Ich bin zu allerlei fähig, nur nicht zu
etwas Schlechtem. Außer wenn ich zornig bin. Aber warum soll ich auf euch
zornig sein? Seid ihr es auch nicht. Also, gehen wir zu

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