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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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selbst halten auch schön den Mund. Warum sollen
nur wir die Dummen sein? Deshalb sage ich: Für heute habe ich genug Ärger
gehabt.«
    »Das geschieht dir recht«, sagte
Tijana. »Schämst du dich nicht, dem Mann das Geld abzunehmen?«
    »O weh, junge Frau, ich glaube, ich
habe gesagt, daß er es mir abgenommen hat, nicht ich ihm.«
    »Vorgestern hast du einen anderen
erleichtert, gestern er dich. So ist es richtig.«
    »Mag sein, aber mir gefällt das
nicht. Also Ahmet, gehen wir?«
    »Ich komme morgen. Vielleicht.«
    »Nicht morgen, sondern jetzt,
sofort. Šehaga erwartet dich.«
    »Geh doch, wenn er dich erwartet«,
redete mir Tijana zu. »Und bleib nicht so lange.«
    Osman erklärte sich das auf seine
Weise.
    »Danke, junge Frau. Er kommt bald
zurück, er ist doch nicht verrückt, dich lange allein zu lassen.«
    Mit ihm konnte man nicht reden, er
mußte immer dumme Bemerkungen machen.
    Draußen nickte er mir vertraulich zu
und sagte, er würde mir etwas erzählen, was ich wissen müsse, bevor ich Šehaga
begegnete.
    Er führte mich in den Hof der
Moschee, und wir setzten uns an die Mauer, um vor dem Wind geschützt zu sein,
der die Blätter von den Pflaumenbäumen riß. Er erzählte mir eine seltsame
Geschichte.
    Šehaga hatte mich gar nicht
eingeladen. Zwar hatte er mit Mula Ibrahim über mich gesprochen und gesagt, daß
ich auf alle Fälle kommen sollte, aber von heute war nicht die Rede gewesen.
Osman hatte bestimmt, daß es heute sein sollte, denn niemand hatte einen
Zeitpunkt festgelegt, so daß wir uns für irgendwann verabreden konnten, aber er
wollte, daß es so bald wie möglich war. Deshalb war er zu mir gekommen, damit
ich ihm und Šehaga half. Vielleicht auch mir selbst, denn niemand war ein
größerer Wohltäter als Šehaga. Wenn es der Aga vergaß, würde er, Osman, etwas
für mich tun, schließlich wisse er, was ich brauche, das sei nicht schwer zu
erraten, da ich ohne Beschäftigung war. Und das sei nicht gut. Wenn jemand eine
so schöne Frau habe, dürfe er nicht arm sein. Er wäre imstande zu töten, aber
seine Frau würde alles haben, was sie sich wünschte.
    Lieber Gott, was für ein Kreuz!
    »Fängst du wieder damit an?«
    »Was ist denn? Das sage ich nur
nebenbei. Sei nicht gleich böse. Ich wollte von Šehaga sprechen. Es steht
schlecht um ihn: seit zwei Tagen hat er aufgehört, Milch zu trinken. Das ist
ein Zeichen, daß er anfangen wird, Schnaps zu trinken. Und wenn er zu trinken
anfängt, ist das nicht wie bei anderen Menschen, Gott bewahre. Würde er zu
Hause trinken, na schön, aber nein! Er geht fort, verschwindet in ein Dorf oder
anderswohin, wirft mit Geld um sich, trinkt, schläft und trinkt wieder, acht
Tage lang, er ißt nichts, übergibt sich nur und trinkt, dann schläft er drei
Nächte und drei Tage wie ein Toter und kommt als Ruine nach Hause, man erkennt
ihn kaum wieder. Das macht er dreimal im Jahr, nicht öfter, sonst nimmt er
keinen Tropfen zu sich. Und niemand kann ihn daran hindern, seine Frau nicht
und seine Freunde nicht, niemand. Eines Tages wird ihn das zugrunde richten,
ein Wunder, daß er es bisher überstanden hat.«
    »Warum trinkt er?«
    »Warum, warum! Man kann auch ohne
Grund trinken, aber Šehaga hat einen Grund. Er spricht mit niemandem darüber.
Er duldet, er welkt dahin, und wenn er es nicht mehr aushalten kann,.ergibt er
sich dem Trunk, um zu vergessen. Dreimal im Jahr, in regelmäßigen Abständen,
wie ein verlangsamter Mondwechsel. Selten kommt es öfter und zur Unzeit vor,
wie jetzt.«
    Er schien den Grund nicht preisgeben
zu wollen.
    Ich fragte noch einmal: »Warum
trinkt er?«
    »Wegen seines einzigen Sohnes.«
    »Ich wußte nicht, daß er einen Sohn
hat.«
    »Er hatte einen. Als Šehagas Sohn
achtzehn wurde, bat er seinen Vater, ihn in den Krieg ziehen zu lassen,
zusammen mit ein paar älteren Freunden, er pflegte nur Umgang mit Älteren. Doch
diese Freunde waren nicht der einzige Grund, es kam noch allerlei dazu, die Jugend,
die Pauken, die Fahnen, die Reden, die heiligen Grundsätze, und der Junge
geriet vor Begeisterung fast aus dem Häuschen. Seine Augen sprühten förmlich
Feuer. Šehaga versuchte ihm gut zuzureden, schließlich ist der Krieg kein
Salutschießen, sondern Schlamm, Schmutz, Hunger, Grausamkeit, Blut, Tod. Doch
er wollte nicht hören. Wenn Gott es will, nehme ich alles auf mich, sagte er,
auch den Tod. Wenn so viele andere das können, kann ich es auch. Dem Vater tat
es leid um den einzigen Sohn, nur für ihn hatte er

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