Die Festung
die Erhaltung und Festigung alles
dessen führen, was uns heilig sei. Wenn diejenigen es nicht täten, die dazu verpflichtet
seien, würden es Menschen tun, die Gemeinnutz vor Eigennutz stellten und bereit
seien, die Wahrheit gegen alle Feinde zu verteidigen. Nachdem er gesagt hatte,
daß er den Wali und die gesamte Obrigkeit über dieses Gespräch unterrichten
würde, dankte er uns und entließ uns nach Hause.
Beim Verlassen der Moschee nickte
mir Mula Ibrahim kaum merklich zu, zwinkerte und wandte sich sofort ab. War das für ihn jetzt, nach so vielen
Drohungen, nicht noch gefährlicher? Oder glaubte er, daß ich in diesem Augenblick
Aufmerksamkeit brauchte?
Ich überlegte, ob ich ihm folgen und
ihn fragen sollte, was er von dieser Versammlung hielte, oder ob es besser war,
ihn in Ruhe zu lassen, denn was er auch dachte, er wagte es nicht zu sagen, und
vielleicht war er so erschrocken, daß er gar nichts dachte. Aber seltsamerweise
machte es mir Mut, daß er mir ein Zeichen gegeben hatte.
Ich beschloß zu warten, bis alle
hinausgegangen waren, um mich nicht in der schmalen Tür mit breiten Männern zu
drängen.
Vor der Moschee verabschiedete sich
Džemal Zafranija mit tiefer Verbeugung vom Kadi. Mir trat er lächelnd entgegen.
Sicher war er mit dem Ausgang der Versammlung zufrieden, obwohl ich nicht
glaubte, daß er irgend etwas anderes erwartet hatte.
»Was meinst du zu diesem Gespräch?«
»Es gibt kluge Leute.«
»Sicher. Weißt du, daß ich Angst
hatte, du könntest aufstehen?«
»Warum sollte ich?«
»Vermutlich, weil dir Ramiz leid
tut. Du hast ein weiches Herz.«
»Mir tut jeder leid. Obwohl ich mit
Ramiz' Meinung nicht übereinstimme.«
»Das freut mich zu hören.«
»Was wird mit ihm geschehen?«
»Auf das, was er getan hat, steht
der Tod.«
»Könnte man nicht um Gnade ersuchen?
Er ist vierundzwanzig Jahre alt.«
»Ihm kann jetzt niemand helfen,
nicht der Muselim, nicht der Kadi, nicht einmal der Wesir. Nur ein einziger
Mensch könnte ihn retten.«
»Und wer?«
»Du.«
»Ich? Was redest du da!«
»Deshalb habe ich dich ja
hergebeten.«
Ich dachte, er mache sich über mich
und Ramiz lustig.
Er sah es wohl meinem erstarrten Gesicht und dem erstaunten Blick an und beeilte
sich, eine Erklärung abzugeben. Ich sei der Freund dieses Studenten. Na gut,
wir seien keine Freunde, aber er habe sich niemandem so anvertraut wie mir.
Ich brauche keine Angst zu haben, er wisse, daß wir über die alltäglichsten
menschlichen Dinge gesprochen hätten, und gerade das habe er im Auge gehabt,
als er sich meiner erinnerte (das hatte ihm der Serdar Avdaga erzählt, das war
kein Wunder; ein Wunder war, daß er mir geglaubt hatte). Anderen habe Ramiz seine
Überzeugungen dargelegt, mir habe er seine Gefühle offenbart. Demnach stünde
ich ihm näher als andere und könnte ihm sagen, was andere nicht könnten. Er
wisse auch, daß ich Ramiz' Ansichten nicht teile. Eigentlich wisse er, daß ich
überhaupt keine Ansichten hätte, ich bedaure nur, daß die Menschen keine Engel
seien, denn dann hätten wir das Paradies auf Erden. Aber es sei gut, daß wir
nicht derselben Meinung seien, denn gegenüber einem Gleichgesinnten würde sich
Ramiz hart und unnachgiebig verhalten. Ob ich bemerkt hätte, daß Menschen, die
nicht dasselbe dachten, die keine Freunde waren, zuweilen leichter ins Gespräch
kamen? Seien nicht wir beide, er, Džemal, und ich ein Beweis dafür? Also
folgendes müßte ich tun, wenn ich den Wunsch hätte, ihn zu retten: Ramiz habe
reichlich Spuren in der Stadt hinterlassen, anscheinend spräche er gut oder
geschickt, was dasselbe sei, er habe viel versprochen, denn er brauche nichts
zu halten, er sei überzeugend gewesen, denn er brauche nicht vorsichtig zu
sein, und die Menschen hätten ihm gelauscht wie einem Messias, sie hätten
verlangt, daß er öfter an mehreren Orten sprach. Das sei kein Wunder, es sei
einfacher, die Menschen zu Untaten und Haß zu überreden als zu Güte und Liebe.
Das Böse sei anziehend und der menschlichen Natur näher. Zu Güte und Liebe
müsse man emporwachsen, sich darum bemühen. Das Böse trügen wir in uns als
ursprüngliche Leidenschaft, und es könne verhängnisvoll werden, wenn es als das
einzige Gute hingestellt würde. Die Menschen hätten sich seine Worte gemerkt
und würden sie jetzt weitersagen, sie wiederholen wie ein Gebet, sie jeder
Schwierigkeit und Not entgegenstellen. Das mehre seinen Ruhm, denn in den Augen
des Volkes sei er ein Opfer, kein
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