Die Feuer des Himmels
denen war keine stark genug, um so wie sie mit einem der Verlorenen fertigzuwerden, trotz dieser Steigerung also war sie noch immer auf ihren Zorn angewiesen und somit eingeschränkt. Wären jetzt weitere Banditen aufgetaucht, hätte Elayne ihnen allein gegenübertreten müssen, und das wollte sie nicht. So war wohl ihr früherer Zorn verflogen, aber sie bemühte sich, die nächste Gefühlsaufwallung vorzubereiten.
Sie kletterte mühsam über die Zeltplane, die über eine ganze Ladung Fässer gespannt war, und langte hinunter nach einem der Wasserfässer, die außen an den Seitenwänden des Wagens zusammen mit den Kisten, in denen sich ihre Habseligkeiten und Vorräte befanden, festgezurrt waren. Sofort verrutschte ihr der Hut wieder, schob sich auf den Hinterkopf, wo er nur noch von dem Schal festgehalten wurde. Ihre Fingerspitzen berührten gerade noch den Deckel des Fasses. Wenn sie das Seil, an dem sie sich mit der anderen Hand festklammerte, losließe, könnte sie das Wasserfaß erreichen, doch bei der Schaukelei würde sie vermutlichen den Halt verlieren und auf die Nase fallen.
Juilin Sandar lenkte den knochigen braunen Wallach, den er ritt - er hatte ihm den unpassenden Namen ›Schmoller‹ verliehen - näher an den Wagen heran und langte hinüber, um ihr einen der ledernen Wasserbehälter zu reichen, die er an seinem Sattel befestigt hatte. Dankbar trank sie, wenn auch nicht gerade manierlich. Sie hing da wie eine Traube an einer vom Wind weggeblasenen Rebe und verschüttete beinahe die Hälfte Wasser auf ihr gutes graues Kleid.
Es war ein passendes Kleid für eine Händlerin, hochgeschlossen, von feiner Webart und feinem Schnitt, aber doch einfach. Die Brosche auf ihrer Brust, ein kleiner goldener Ring mit Granatsteinen besetzt, war vielleicht etwas übertrieben für eine Händlerin, aber es war ein Geschenk der Panarchin von Tarabon gewesen, zusammen mit anderem, viel prachtvollerem Schmuck, der in einem Fach unter dem Fahrersitz weggeschlossen war. Sie trug die Brosche, um immer daran zu denken, daß man selbst Frauen, die auf einem Thron saßen, von Zeit zu Zeit einmal beim Genick packen und durchschütteln mußte. Jetzt, da sie mit Amathera zu tun gehabt hatte, hatte sie auch etwas mehr Verständnis für die Art und Weise, wie die Burg Könige und Königinnen manipulierte.
Sie vermutete, Amatheras Geschenke seien mehr oder weniger als Bestechung gemeint gewesen, damit sie ja Tanchico schnell verließen. Die Frau war sogar gewillt gewesen, ein Schiff zu kaufen, daß sie keine Stunde länger als notwendig bleiben mußten, aber niemand war in der Lage gewesen, eines zu verkaufen. Auf den wenigen Schiffen, die im Hafen von Tanchico verblieben und geeignet waren, nicht nur die Küste entlangzusegeln, drängten sich die Flüchtlinge. Außerdem war ein Schiff zu offensichtlich, da es den schnellsten Weg darstellte, auf dem man Tanchico und Tarabon verlassen konnte. Nach allem, was geschehen war, hielten die Schwarzen Ajah vermutlich nach ihr und Elayne Ausschau. Sie waren ausgesandt worden, um Aes Sedai aufzuspüren, die dem Schatten dienten, und sich nicht umgekehrt von ihnen einfangen zu lassen. Deshalb also der Wagen und die lange Fahrt durch ein von Bürgerkrieg und Anarchie zerrissenes Land. Sie fing allmählich an, zu bereuen, daß sie sich gegen ein Schiff ausgesprochen hatte. Das würde sie allerdings den anderen gegenüber niemals zugeben.
Als sie sich bemühte, Juilin den Wasserbehälter zurückzugeben, winkte der ab. Er war ein zäher, harter Mann, schien wie aus dunklem Holz geschnitzt und fühlte sich auf dem Rücken eines Pferdes nicht sehr wohl. In ihren Augen wirkte er sogar lächerlich, nicht, weil er so unsicher im Sattel saß, sondern wegen dieses dümmlichen roten Taraboner Huts, den er auf seinem glatten, schwarzen Haar trug, ohne Krempe, kegelförmig, hoch und mit abgeflachter Spitze. Er paßte überhaupt nicht zu seinem dunklen Halbmantel aus Tear, der an der Hüfte eng war und darunter ausgestellt. Sie war nicht der Meinung, daß er überhaupt zu etwas passe. Für sie sah es aus, als trage er einen Kuchen auf dem Kopf.
Unbeholfen krabbelte sie weiter nach vorn, in der einen Hand den Lederbehälter und mit flatterndem Hut, und fluchte dabei leise vor sich hin, auf den tairenischen Diebfänger - kein Diebfänger - der doch nicht! -, auf Thom Merrilin - aufgeblasener Gaukler! - und auf Elayne aus dem Hause Trakand, die Tochter-Erbin von Andor, die man auch mal am Genick packen
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