Die Feuer des Himmels
Sonnenaufgang. Die neue Königin bestellte Masema in den Palast und teilte ihm mit, daß er nicht mehr behelligt werde. Innerhalb von zwei Wochen drehte sich die Lage, und sie wurde zu ihm zitiert. Ich weiß nicht, ob sie wirklich das glaubt, was er predigt, aber ich weiß, daß sie sich auf den Thron eines Landes am Rande des Bürgerkriegs setzte, mit den Weißmänteln dazu auf dem Sprung, einzumarschieren, und sie hat dem auf die einzige Art Einhalt geboten, die ihr blieb. Das ist eine weise Königin, und ein Mann könnte stolz darauf sein, ihr zu dienen, obwohl sie eine Südländerin ist.«
Nynaeve öffnete den Mund und vergaß, was sie hatte sagen wollen, als Uno ganz nebenbei erwähnte: »Irgendein verdammter Weißmantel verfolgt uns. Seht Euch nicht um, Frau. Ihr solltet es wirklich besser wissen.«
Ihr Hals versteifte sich, weil sie sich solche Mühe geben mußte, geradeaus zu blicken. Ein Schauder lief ihr den Rücken herunter. »Biegt an der nächsten Ecke ab, Uno.«
»Das bringt uns von den Hauptstraßen und dem verdammten Stadttor weg. Wir können ihn verflucht noch mal in der Menge abhängen.«
»Biegt ab!« Sie holte langsam Luft und bemühte sich, mit weniger schriller Stimme zu sprechen: »Ich muß ihn sehen.«
Uno blickte so wild drein, daß ihnen die Leute auf zehn Schritt im voraus aus dem Weg gingen, aber sie bogen in die nächste enge Straße ab. Als sie um die Ecke kamen, drehte sie unauffällig ein wenig den Kopf, bevor die Mauerkante einer kleinen Taverne ihr den Blick zurück verwehrte. Der schneeweiße Umhang mit dem strahlenden Sonnenaufgang hob sich deutlich von der Kleidung der übrigen Passanten ab. Dieses schöne Gesicht, von dem sie sicher gewesen war, daß es zu dieser Uniform gehörte, war unverkennbar. Kein anderer Weißmantel außer Galad hätte einen Grund gehabt, sie zu verfolgen, und niemand wäre auf die Idee gekommen, ausgerechnet Uno und Ragan hinterherzulaufen.
KAPITEL
40
Das Rad webt
S obald das Gebäude Galad verbarg, blickte Nynaeve schnell geradeaus und beobachtete die vor ihnen liegende Straße. Wut stieg in ihr auf, sowohl auf sie selbst wie auf Galadedrid Damodred. Du hirnloser Wollkopf! Sie befanden sich in einer engen Gasse wie so viele hier, mit runden Steinen gepflastert, rechts und links graue Ladengebäude und Wohnhäuser und Tavernen, von einer langsam dünner werdenden nachmittäglichen Menschenmenge belebt. Wenn du nicht in die Stadt gekommen wärst, hätte er dich nie entdeckt! Jedenfalls waren es nicht mehr genug Menschen, daß man sich dazwischen hätte verbergen können. Du mußtest ja unbedingt den Propheten sehen! Du mußtest unbedingt glauben, der Prophet würde dich wegzaubern, bevor Moghedien dich findet! Wann wirst du endlich lernen, dich auf niemanden zu verlassen als auf dich selbst? Einen Augenblick später hatte sie sich entschlossen. Wenn Galad um diese Ecke kam und sie nicht sah, würde er anfangen, in den Läden und vielleicht auch in den Tavernen zu suchen.
»Hier herüber.« Sie raffte ihre Röcke und huschte in die nächste Gasse, wo sie sich mit dem Rücken gegen die Mauer drückte. Niemand beachtete sie weiter, so unauffällig wie sie sich verhielt, und es interessierte sie nicht, was man über die Zustände in Samara sagte. Uno und Ragan standen neben ihr, bevor sie noch die Mauer berührte, und sie drängten sie noch ein Stück weiter in die staubige, ungepflasterte Gasse hinein, an einem alten, gesprungenen Eimer und einem Regenwasserbottich vorbei, der so ausgetrocknet war, daß er beinahe nach innen zusammenfiel. Wenigstens machten sie, was sie wollte. Auf gewisse Weise. Mit angespannten Muskeln und den Händen an den langen Griffen der Schwerter auf ihren Rücken waren sie bereit, sie zu beschützen, ob sie das nun wünschte oder nicht. Laß sie, du Närrin! Glaubst du etwa, du könntest dich selbst beschützen?
Zornig genug war sie. Galad! Ausgerechnet er! Sie hätte die Menagerie niemals verlassen dürfen! Eine törichte Laune, und die konnte ihnen nun alles verderben. Sie konnte hier so wenig die Macht benützen wie gegen Masema. Allein die Möglichkeit, daß sich Moghedien oder Schwarze Schwestern in Samara aufhalten könnten, zwang sie dazu, sich auf den Schutz durch die beiden Männer zu verlassen. Das reichte, um ihren Zorn noch weiter zu schüren. Sie hätte am liebsten in die Mauer hinter sich gebissen. Ihr war klar, warum die Aes Sedai ihre Behüter hatten, jedenfalls alle außer den Roten. Ihrem Verstand war
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