Die Feuer des Himmels
geschickt?« fragte sie kalt.
Isendre öffnete den Mund, und auf ihrem Gesicht stand ganz klar die beabsichtigte Lüge zu lesen, doch dann schluckte sie und flüsterte: »Nein.«
»Ihr seid vor so etwas gewarnt worden, Sorda.« Eine Sorda war eine Art von Ratte, sehr schlau, den Erzählungen der Aiel nach, und zu absolut nichts zu gebrauchen. Ihr Fleisch schmeckte so ranzig, daß selbst die Katzen sie kaum jemals fraßen, wenn sie sie erlegt hatten. »Adelin dachte, das letzte Mal hätte Euch gereicht.«
Isendre zuckte zusammen und wankte, als falle sie gleich in Ohnmacht.
Rand raffte sich auf. »Aviendha, ob sie nun geschickt wurde oder nicht, spielt keine Rolle. Ich habe ein wenig Durst, und wenn sie so freundlich war, mir Wein zu bringen, dann sollte man ihr auch danken.« Aviendha blickte die beiden Becher kühl an und zog die Augenbrauen hoch. Er atmete tief durch. »Sie sollte nicht bestraft werden, nur weil sie mir etwas zu trinken bringt.« Er vermied es betont, das Tablett anzusehen. »Die Hälfte der Töchter unter diesem Dach dürften gefragt haben, ob ich... «
»Sie wurde von den Töchtern gefangengesetzt, weil sie Töchter bestohlen hatte, Rand al'Thor.« Aviendhas Stimme klang noch kälter als vorher der anderen Frau gegenüber. »Ihr habt Euch bereits viel zuviel in die Angelegenheiten der Far Dareis Mai eingemischt, mehr, als Euch gestattet sei. Nicht einmal der Car'a'carn kann sich der Gerechtigkeit in den Weg stellen. Das hier geht Euch nichts an.«
Er verzog das Gesicht und beließ es dabei. Was die Töchter auch mit ihr machen würden, Isendre hatte es jedenfalls verdient. Nicht nur für das eben. Sie war mit Hadnan Kadere in die Wüste gekommen, aber Kadere hatte sich nicht gerade vor Kummer umgebracht, als die Töchter des Speers sie gefangennahmen, weil sie den Schmuck gestohlen hatte, den sie ihr jetzt als einzige Bekleidung ließen. Rand hatte alle Hände voll zu tun gehabt, daß sie sie nicht wie eine Ziege gefesselt nach Shara geschickt hatten, oder sie nackt zur Drachenmauer laufen ließen, nur mit einem Wassersack ausgerüstet. Als er sie um Gnade bitten hörte, sobald ihr klar wurde, was die Töchter mit ihr vorhatten, konnte er nicht einfach abseits bleiben und schweigen. Einmal hatte er eine Frau getötet, die allerdings ihn töten wollte, doch diese Erinnerung verursachte ihm immer noch Schmerzen. Er glaubte nicht, daß er jemals wieder zu so etwas fähig sein werde, selbst wenn sein Leben auf dem Spiel stand. Das war wohl sehr töricht, da ihm immerhin weibliche Verlorene ans Leben wollten oder noch Schlimmeres, aber so war es eben. Und wenn er schon keine Frau töten konnte, wie konnte er dann denebenstehen und eine Frau umkommen lassen? Obwohl sie es vielleicht verdiente?
Das war natürlich der springende Punkt. In jedem Land westlich der Drachenmauer müßte Isendre bei allem, was er von ihr wußte, entweder den Galgen oder die Enthauptung erwarten. Sie und auch Kadere und möglicherweise die meisten Bediensteten des Händlers, wenn nicht alle. Sie waren Schattenfreunde. Und er konnte sie nicht bloßstellen. Es war ihnen auch gar nicht klar, daß er Bescheid wußte.
Falls einer von ihnen als Schattenfreund entlarvt wurde... Isendre erduldete alles, so gut sie konnte. Es war immer noch besser, als Dienerin und nackt zu arbeiten, als an Händen und Füßen gefesselt in der Sonnenglut zu verderben. Doch wenn Moiraine sie einmal in die Finger bekam, würde niemand mehr schweigen. Die Aes Sedai kannten ebensowenig Gnade mit Schattenfreunden wie alle anderen. Sie würde ihre Zungen schon lösen. Und auch Asmodean war mit dem Händlerzug in die Wüste gekommen. Soweit Kadere und die anderen informiert waren, war er nur ein weiterer Schattenfreund, aber immerhin einer, der etwas zu sagen hatte. Zweifellos glaubten sie, er habe sich dem Wiedergeborenen Drachen auf Befehl einer höheren Macht angeschlossen. Um seinen Lehrer behalten zu können und Moiraine davon abzuhalten, sie möglicherweise beide umbringen zu wollen, mußte Rand ihr Geheimnis wahren.
Glücklicherweise fragte niemand danach, warum die Aiel dem Händler und seinen Männern so genau auf die Finger sahen. Moiraine hielt es für das übliche Mißtrauen der Aiel gegenüber Außenseitern in der Wüste, verstärkt durch ihren Aufenthalt in Rhuidean. Sie hatte all ihre Überzeugungskraft gebraucht, um die Aiel dazu zu bringen, daß Kadere und seine Wagen überhaupt in die Stadt durften. Das Mißtrauen war da;
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