Die Feuer von Córdoba
gebenedeit! – nicht verriegelt war, trat ein und schloss die Tür hinter sich. Einen Moment verharrte er regungslos gegen das dunkle Holz gelehnt, die Augen geschlossen und schwer atmend. Sein Herz klopfte so sehr, dass er jeden einzelnen seiner Schläge gegen seine wunde Schädeldecke pochen fühlte. Was wäre gewesen, wenn Pater Giacomo im Gegensatz zu seiner Ankündigung doch schon früher von der Hazienda zurückgekehrt war? Wenn die Tür nicht verschlossen war, weil er bereits in seinem Bett lag? Was wäre, wenn …
»Ist es aber nicht!«, sagte Stefano energisch und öffnete die Augen.
Noch erhellte ein letzter Hauch von Tageslicht den kleinen Raum. Pater Giacomos Zelle war fast ein Ebenbild seiner eigenen . Rechts an der Wand stand das schmale Bett, ein kleiner Tisch direkt vor dem Fenster, ein Stuhl. Die einzigen Unterschiede bestanden in der kleinen Truhe aus schwarzem Holz, die Pater Giacomo schon seit vielen Jahren besaß und die er brauchte, um seine Kutten darin aufzubewahren. Aufgrund seines Amtes als Inquisitor hatte er mehr als die beiden Kutten, die Stefano sein Eigen nannte. Und an der Wand, direkt über dem Kopfende des Bettes, hing ein schönes, großes geschnitztes Kruzifix.
Stefano sah sich rasch um. Nirgendwo lag etwas, das einem Tagebuch glich. Aber wenn der Inhalt wirklich so brisant war, wie die Fremde angedeutet hatte, würde Pater Giacomo es wohl kaum offen herumliegen lassen. Also musste er es versteckt haben – immer vorausgesetzt, dass es dieses Tagebuch auch wirklich gab.
»Ich brauche Licht«, murmelte Stefano. »Die Kerze.«
Mit zwei Schritten war er bei dem kleinen Tisch, auf dem eine Kerze in einem einfachen eisernen Leuchter stand. Ein langer Docht lag daneben. Hastig entzündete er den Docht an der Lampe, die im Flur direkt neben Pater Giacomos Zellentür brannte. Als er wieder die Tür hinter sich geschlossen hatte, zitterte er so sehr, dass ihm der brennende Docht beinahe aus der Hand gefallen wäre und er mehrere Versuche brauchte, bis die Kerze endlich mit kleiner, stark rußender Flamme brannte. Jetzt konnte er sich endlich umsehen.
Auf dem Tisch lag eine Feder, deren Spitze schon ziemlich abgenutzt war. Daneben stand ein nahezu leeres Tintenfass . Kein Pergament, kein Buch, in dem Pater Giacomo geschrieben haben könnte. Seine Korrespondenz erledigte er meist in seinem Arbeitszimmer zwei Stockwerke tiefer. Wozu also brauchte er Feder und Tinte in seiner Zelle? Ratlos kratzte sich Stefano am Kopf und zuckte zusammen, als seine Finger dabei versehentlich die Beule berührten. Wo konnte Pater Giacomo das Tagebuch versteckt haben? Wo würde er ein Tagebuch verstecken, wenn er denn eines besitzen würde?
Im Bett, dachte Stefano und zog behutsam zuerst die Decke , dann das flache Kopfkissen zur Seite. Er kam sich vor wie ein abscheulicher Dieb. Zoll für Zoll tastete er die Matratze ab, doch sie war mit nichts anderem als Stroh gefüllt. Wie es sich gehörte. Danach stellte er die Kerze auf den Boden und schob sich unter das Bett, um die Bretter zu untersuchen . Ebenso vergeblich.
Stefano überlegte. Natürlich, wahrscheinlich befand sich das Tagebuch in der Truhe. Er kniete sich vor dem schlichten Holzkasten nieder. Die Truhe war nicht verschlossen, sie hatte nicht einmal ein Schloss oder einen Riegel. Er atmete schneller. Noch nie zuvor in seinem Leben hatte er sich so unbehaglich in seiner Haut gefühlt. Er war im Begriff, etwas zu tun, das seinem Gewissen entschieden widersprach. Und doch musste er es tun, wenn er je wieder Ruhe finden wollte.
»Tu es endlich«, sagte er leise. »Bring es hinter dich.« Dabei kam er sich vor, als würde man von ihm verlangen, einen Menschen mit einem Dolch zu töten.
Stefano hielt die Luft an und klappte den Deckel auf. Gleich obenauf lag die Kutte, die Pater Giacomo an Feiertagen trug. Er nahm sie heraus und faltete sie auseinander, um sicherzugehen, dass sich darin nichts verbarg. Darunter lagen eine schlichte Alltagskutte zum Wechseln, ein zweites Paar Sandalen und ein Ordensmantel. Bei seiner Suche fand Stefano , sorgfältig zwischen die Gewänder gelegt, damit es nicht beschädigt wurde, ein kleines in Silber gerahmtes Bild. Es war das Porträt eines hübschen jungen Mädchens. Es lächelte verträumt, während es fast zärtlich die Blütenblätter einer weißen Rose streichelte. Stefano wurde rot und legte es hastig zurück. Vielleicht war sie eine Verwandte des Paters, vielleicht aber auch eine unglückliche Liebe. Das
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