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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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einer gesegneten Salbe aus Terpentinöl und Myrrhe sauber zu halten.
    Zunächst mussten also die schmutzigen Verbände entfernt werden – eine äußerst schmerzhafte Prozedur, denn trotz des Geschicks von Dottor Dalessi waren, nachdem auf der Galeere das Öl ausgegangen war, viele Verbände mit den Wunden verklebt, und das Stöhnen, die Schreie und Flüche erfüllten die Krankensäle. Man benutzte abgekochtes, lauwarmes Wasser. Es genügte, die Verbände damit zu tränken. Doch wenn sie vom Gesicht genommen werden mussten, wie bei Matteo, konnte die Wunde nicht ganz ins Wasser getaucht werden und bei der Empfindlichkeit dieses Körperteils und seiner Behaarung wurde die Behandlung zur Qual.
    Der Ärmste schrie unter den Händen des Arztes, der die Verbände mit Wasser tränkte und löste, wieder tränkte und aufschnitt. Das griechische Feuer hatte seinen Schädel erfasst und ihm das Fleisch von der Stirn bis zum Nacken versengt. Trotzdem hatte er einen guten Teil seines Gesichts retten können, weil er die Geistesgegenwart besessen hatte, es mit seinen Händen zu bedecken, während er aus der Segelkoje stürzte. Der Rest war pures Glück, denn in diesem Moment waren zwei Artilleristen in die Pulverkammer heruntergekommen und hatten die arme menschliche Fackel eilig in Decken gehüllt. So hatte er seine Augen gerettet, obwohl er sich weiter als Blinder ausgab und teilnahmslos ins Nichts schaute oder Gesichter mit seinem leeren Blick nur streifte, statt ihn auf die Augen zu richten wie Sehende.
    Die Idee, sich den Namen Matteo zuzulegen, war Angelo Riccio gekommen, als sie diesen verkohlten, wie ein Stockfisch vertrockneten Körper, der bis vor wenigen Stunden sein Freund aus Padua gewesen war, aus dem Kielraum des Flaggschiffs getragen hatten. Denn Matteo war zu vier Jahren am Ruder verurteilt, von denen nur noch sechs Monate blieben. Ihm dagegen hatten sie zwölf Jahre verpasst, von denen er zehn noch abbüßen musste. Verletzt, wie er war, und mit Verbänden so umwickelt, hätte zudem keiner behaupten können, er sei ein anderer. Als es dann zu der Begegnung mit Andrea Loredan gekommen war, hatte Riccio erkannt, dass jedes einzelne seiner Erlebnisse Teil eines göttlichen Planes war, der ihm alles zurückgeben würde, was man ihm genommen hatte: Freiheit, Würde und Reichtum.

23
    Der Erste, dem Andrea begegnete, war der afrikanische Hausdiener, der mit einer Schüssel aus dem Hinterausgang der Locanda trat und zum Rio ging, um sie auszuschütten. Der junge Mann blieb stehen, weil er in den Zügen des Fremden etwas Vertrautes gewahrte. Als er ihn wiedererkannte, riss er verblüfft die Augen auf. »Eccellenza, hochverehrter, durchlauchtigster Herr«, stammelte er bestürzt.
    Andrea wollte etwas erwidern, da erschien Graziosa an der Schwelle zur Küche. Sie trug ein großes Bündel Wäsche zum Aufhängen im Arm und war sichtlich in anderen Umständen. Auch ihre erste Reaktion war, wie vom Blitz getroffen innezuhalten und verdutzt auszurufen: »Ihr?« Dann ließ sie die Wäsche fallen, eilte auf Andrea zu, umarmte ihn und überschüttete ihn mit Ausrufen wie »Ihr seid gerettet! Ihr seid frei! Die Jungfrau hat mich erhört!«, bis ihr unter Tränen die Stimme brach.
    Andrea rührte sich nicht, überrascht von diesem Beweis ihrer Zuneigung. Schließlich verebbten die Schluchzer, und Graziosatrat einen Schritt zurück, um ihn verwirrt und schniefend zu betrachten. Der afrikanische Diener stellte sich neben sie.
    »Wie schön, Euch wiederzusehen!«, rief sie lächelnd aus. »Es gibt so viel zu erzählen!« Strahlend legte sie einen Arm um den Hals des Dieners, küsste ihn auf die Wange und fragte Andrea: »Gefällt Euch mein Gatte?«
    Der Diener verbeugte sich lächelnd.
    Einen Augenblick lang stutzte Andrea verwundert, dann nickte er freundlich. Zu dritt gingen sie in die menschenleere Locanda. Graziosa erklärte, ihr Vater Lorenzo sei nach San Marco gegangen, um den Sieg zu feiern, und auch sie wäre gerne dabei gewesen, wäre da nicht das Kind, das sie erwartete. Andrea erfuhr, dass Maria die Familie verlassen hatte, um ein neues Leben mit einem Goldschmied aus Asolo zu beginnen. Graziosa hätte noch lange weitererzählt, wenn Andrea sich nicht entschuldigt und um warmes Wasser zum Waschen und ein Bett zum Schlafen gebeten hätte. Seine Bitten wurden sofort erfüllt.
    Eine mächtige Rührung ergriff ihn, als er sein altes Zimmer direkt unter dem Altan betrat. Dort lagerten in der Abstellkammer die Kisten mit seinen

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