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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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Evangelista Meus .
    Der Glockenklang erfüllte die Luft so natürlich wie der Wind. Andrea saß am Heck, sein Wams und Umhang waren blau, die Hosen gestreift, dunkel die Strümpfe und Stiefel. Er beobachtete das Geschehen auf der Riva degli Schiavoni, wo viele auf das vorüberfahrende Boot zeigten und »Sieg! Sieg! Viva San Marco!« riefen.
    Der Missièr Grande hatte ihm berichtet, dass ganz Venedig schon von der Heldentat wusste, die er vollbracht hatte, indem er die Sultana »gekapert« und den türkischen Großadmiral Müezzinzade Ali Pascha geköpft hatte. Denn das anfängliche Staunen über den Sieg war unbändiger Begeisterung gewichen, und die ersten bruchstückhaften Nachrichten hatten sich, während sie von Mund zu Mund gingen, zu Legenden ausgewachsen, in denen jede Handlung mit Einzelheiten aus der Phantasie der Erzählenden angereichert wurde. Diese gingen bereits in der ganzen Stadt um und schrieben dem Schiff von Onfré Giustinian und seiner Besatzung das eigentliche Verdienst am Sieg über die Große Türkische Armada zu.
    Andrea erwiderte die Grüße, doch auch jetzt fühlte er sich dem allgemeinen Jubel fremd. Anfangs hatte er diese innere Distanz seiner Müdigkeit zugeschrieben, dem Mangel an Schlaf, der alles verwandelt und verkehrt. Dann aber war das Gefühl der Leere geblieben. Er fühlte sich wie ein Spiegelbild, das aufBewegungen antwortet und dennoch nur auf der leeren, kalten Glasfläche existiert.
    Eine Hundertschaft Arsenalotti stand vor den Bogengängen des Palazzo Ducale, der Mole und der Piazzetta aufgereiht, die endlich von den Tischen und Ständen der Notare, Anwälte, Zahnbrecher und Straßenverkäufer gesäubert waren. Andrea stieg am kleinen Ponte della Paglia aus und ging, begleitet vom Missièr, dem Hauptmann und den Fanti, bis zur Porta della Carta, dem Ehrenportal des Palazzo. Auch hier nahmen die Palastwachen Haltung an, während er in das kalte Dunkel der Galleria Foscari trat. Zurück blieben die Schritte auf den Backsteinen, verklingende Stimmen, dann schlossen sich die beiden Flügel des Portals, und vor Andrea erschien im Hintergrund des Innenhofs das milchige Weiß der Scala dei Giganti, auf der sich das Purpurrot einer die Stufen hinabeilenden Toga abzeichnete. Es war der Großkanzler Zuàn Francesco Ottobon. Als er einen Schritt vor Andrea stehenblieb, waren seine Augen schon feucht.
    »Willkommen, Ser Loredan!« Er wollte sich verbeugen, aber Andrea hielt ihn am Arm fest und fiel ihm, die Etikette missachtend, um den Hals.
    Alvise Mocenigo, der fünfundachtzigste Doge der Serenissima, erwartete ihn, angetan mit seinem Zeremoniengewand, der dogalina , dem Umhang mit Hermelinkragen und dem Corno Ducale, im Saal der Landkarten. Neben ihm, wunderschön in ihrem golddurchwirkten Kleid mit Schleier und Umhang, die Dogaressa Loredana Marcello.
    Andrea ehrte sie mit einer Verbeugung. Darauf den Dogen.
    »Principe Serenissimo«, grüßte er ihn, wie es vorgeschrieben war, ohne das Geringste zu empfinden.
    »Euch wiederzusehen ist eine ungeheure Freude und große Ehre für mich, lieber Andrea«, sagte Mocenigo gerührt. »Was Sebastiano Venier uns schrieb, was Messer Giustinian berichtete, gereicht Euch zu ewigem Ruhm.«
    Andrea fühlte sich unbehaglich, statt zu danken, erwiderte er: »Ich glaube nicht, dass ich mehr getan habe als die anderen, Vostra Serenità.«
    Stille entstand in dem weiten, lichterfüllten Saal und dehnte sich quälend.
    »Ich lasse Euch allein. Ihr sprecht besser ungestört.« Loredanas zarte Stimme hatte die Macht, diesen Moment der Verlegenheit zu beenden. Sie wechselte einen Blick des Einverständnisses mit ihrem Mann, grüßte Andrea und ging auf den langen mittleren Flur der Dogengemächer zu.
    »Ich wollte Euch vor dem Eintreffen der Botschafter und der Delegationen von der Terraferma sprechen«, erklärte Mocenigo seinem Gast.
    Andrea antwortete mit einer leichten Verneigung.
    »Der Tod Eures Vaters, lieber Andrea, ist mir sehr nahegegangen«, fuhr Mocenigo fort. »Er war ein unbestechlicher Gegner, aber weit mehr noch ein Freund.«
    Andrea verspürte einen spontanen Abscheu vor diesen Worten des Mannes, der seinen Vater unerbittlicher als jeder andere bekämpft hatte. Dennoch empfand er keinen Groll. Er begnügte sich mit Schweigen.
    »Ich habe sein Andenken und euch alle, seine ganze Familie, zu schützen versucht. Das ist das Erste, was ich Euch sagen wollte.«
    Andrea fiel ein, was sein Bruder Alvise ihm geschrieben hatte: Mocenigo hatte beim

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