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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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Schiavoni war schwarz von Menschen, alle Boote auf der Lagune verließen ihren Kurs und fuhren zur Angelo Gabriele . Die Marangona begann zu schlagen, die Mezzana und die Mittagsglocke fielen in ihr Läuten ein. Alle Fenster öffneten sich, bunte Tücher wurden über den Altane aufgehängt. Wer jung genug war, lief, so schnell er konnte, sprang über die Brücken. Über das ununterbrochen Läuten der Glocken legten sich Geklingel, Pfiffe und Schüsse, übertrugen sich bis zu den an der Dogana da Mar vor Anker liegenden Schiffen und allen an den Ufern vertäuten Booten aus dem Arsenale. Unterdessen vereinten sich die zunächst vereinzelten Stimmen der Menschen an Land im Ruf Sieg! Viva San Marco! zu einem großen Chor.
    Andrea aber konnte keinen festen Halt finden, keinen einzigen Gedanken, der ihn erfreut hätte. Zunächst schien er bereit, sich vom Jubel mitreißen zu lassen, doch dann zog er sich zurück, stand stumm an der Bordwand, um zuzuhören und ins Leere zu blicken.

19
    Sie hatten die bestellten Glasgefäße und die zwanzig kleinen Galeeren nebeneinander in einer Reihe aufgestellt, die zwei große Tische im kalten Zimmer, dem Lagerraum der Glashütte, einnahm.
    Der größte Schmelzofen in der Mitte des Ofenraumes, ein kuppelförmiges Gebilde aus Ziegelsteinen, Mörtel, Schamottsteinen und Eisen, rauchte, schnaubte und zitterte wie ein gereizter Stier, der verletzt und erschöpft mitten in der Arena steht, und nur der Glasmeister durfte sich ihm noch nähern. Fünf Karren Erlenholz hatte er in acht Tagen Arbeit gefressen. Achthundert Pfund fritta , Materie, die zu Glas geschmolzen wurde, hattensie verarbeitet. Und als das Türchen aus Schamott und Gusseisen geöffnet wurde, war die herausschießende Stichflamme weiß wie die Augustsonne.
    Um den Auftrag der Dogaressa erfüllen zu können, arbeitete die Glashütte seit acht Tagen ununterbrochen, mit zwei Nachtarbeitern, die im ersten Ofen die fritta zubereiteten und die Temperatur im Schmelzofen konstant hielten, damit er vom Sonnenuntergang bis Mitternacht beladen werden konnte und das Glas bei so großer Hitze geschmolzen wurde, dass es kochte wie Wasser. Denn so konnte die Luft entweichen und das flüssige Glas rein werden, kristallklar. Das dauerte bis kurz vor Sonnenaufgang, wenn ein heller Schein am Osthimmel auftauchte. Doch in diesen kalten Stunden bei Morgengrauen konnte der Schmelzofen sich in eine wilde Bestie verwandeln. Eine Flüchtigkeit genügte, eine falsche Bewegung aus Müdigkeit, wie die Klappe zu plötzlich zu öffnen, dann konnte der Ofen Feuer spucken. Der Atem des Drachen. Auch darum brannten Glashütten nieder.
    Dieses Mal wollte es das Schicksal, dass Jacomo einen Schritt neben Pierin direkt vor der Ofenklappe stand. Er sah das Feuer sich zurückziehen und wie eine Welle am Ufer auf den Grund des Ofens sinken. Da packte er den Jungen und riss ihn weg. Im nächsten Augenblick kam aus der Luke eine mehrere Ellen lange horizontale Feuerzunge herausgeschossen, rollte sich am Ende auf, wurde zum Feuerball, der zwei Ellen hoch in die Luft stieg, und verpuffte in einer schwarzen Wolke, die sich unter den Dachbalken ausbreitete. Im Hintergrund wurde knallend eine Tür geschlossen.
    Der junge Nachtarbeiter kam angelaufen, ohne auf die zornige Miene zu achten, mit der Jacomo ihn empfing. »Maestro!«, rief er Mann aufgeregt. »Ganz Venedig feiert! Wir haben den Türken besiegt!«
    Genau in diesem Moment begannen die Glocken von Santo Stefano zu läuten, und der grimmige Ausdruck auf dem Gesicht des alten Glasmeisters verwandelte sich in gerührtes Staunen.

20
    Der Kapitän Onfré Giustinian beschloss, vor den zwei Säulen der Piazzetta anzulegen, neben der linken Flanke der Locanda del Redentore , der Fusta, an der die Galeerenruderer ausgebildet wurden. Er befahl, den Anker am Bug vorzubereiten und ließ ihn zweihundert Fuß vor der Mole an der schnellen Trosse zu Wasser. Die an dieser Stelle vertäuten Gondeln räumten in höchster Eile die Anlegestelle und verteilten sich zu beiden Seiten.
    Von der Angelo Gabriele aus war das Schauspiel so beeindruckend, dass die gesamte Mannschaft, auch die wildesten Hitzköpfe in türkischen Gewändern, nur noch stumm, an das lange Reep am Steg, die Wanten, Masten und Dollborde geklammert, zuschaute. Denn unter dem Lärm der Glocken hatte sich das ganze Ufer von der Ca’ di Dio bis zur Paglia, von der Mole und der Piazzetta bis zur Zecca und den Kornspeichern von Terranova in ein einziges Menschenband

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