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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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Senat erwirkt, dass die traditionelle Ernennung von Inquisitoren über das Leben des Verstorbenen, deren Aufgabe es war, das Werk Pietro Loredans und seiner Familie während seiner Amtszeit als Doge gründlich auf jeden Fehler zu untersuchen, verschoben wurde.
    »Ich danke Euch, Eccellenza«, sagte Andrea ohne Emphase.
    Mocenigo wartete, als genügten diese knapp bemessenen Worte nicht, um die Schuld wettzumachen. Er musste sich begnügen.
    »Zwischen uns beiden hat es nie Einverständnis gegeben«, huber mit neuem Eifer an. »Und das bedaure ich, denn ich schätze Euch, Andrea, ich habe Euch immer geschätzt und bin überzeugt, dass Ihr unserer so ruhmvollen und verletzlichen Heimat sehr nützlich sein könntet.« Er machte eine Pause und beobachtete Andrea, um dessen Verhalten zu entnehmen, wie weit er gehen konnte. Andrea ließ keine Regung erkennen. »Ich will offen mit Euch sprechen. Der Krieg war ein Unglück, das sich nicht vermeiden ließ.« Mocenigo blickte ihm direkt in die Augen. »Denn mit Liebkosungen oder guten Worten wird der Hirte seine Herde sicher nicht vor dem Rachen des Wolfs bewahren.«
    Während des nun folgenden Schweigens begriff Andrea, dass der Doge Zustimmung gerade bei denen suchte, die ihn am erbittertsten befehdet hatten. Und er überlegte, dass Mocenigo damit das enorme Gewicht seiner Entscheidung für den Krieg auf die verteilen wollte, die ihn erlitten hatten. Andrea beschloss, ihm nicht beizuspringen.
    »Ich habe gekämpft, Vostra Serenità, und wer kämpft, sollte nicht über das sprechen, was er gesehen hat und ertragen musste.«
    Mocenigo schloss die Augen. »Ich verstehe Euch«, sagte er seufzend. »Und Ihr sollt wissen, dass es keinerlei Sühne für die Gräuel geben kann, welche dieser Krieg gebracht hat. Auf meinem Gewissen lastet jeder einzelne Sohn der Stadt, jeder Verwundete   …« Die Rührung gewann die Oberhand und zwang ihn, innezuhalten. »Vor Gott und dem Urteil der Geschichte werde ich dafür Rechenschaft ablegen müssen. Doch das Schicksal hat sich erfüllt, und dank unserer Tapferkeit und Gottes Wirken haben wir wie durch ein Wunder die ungeheure Übermacht eines anmaßenden Feindes besiegt. Wenn bis gestern noch die Zeit des Krieges geherrscht hat, so muss ab heute die Zeit des Friedens beginnen.« Er lächelte ihn an. »Während Eurer Abwesenheit ist in Venedig viel geschehen, lieber Andrea. Manches wisst Ihr schon. Anderes habt Ihr Euch wahrscheinlichvorstellen können. Wieder anderes wird Euch erstaunen. Just um über diese Dinge zu sprechen, habe ich Euch kommen lassen.« Er zeigte auf eine Ecke des Saals, die mit Teppichen, Sesseln und Tischchen in einen kleinen Salon verwandelt worden war. »Kommt, wir setzen uns, dabei spricht es sich leichter.«
    Andrea zögerte nur einen Augenblick, dann folgte er ihm, vorbei an den großen Weltkarten und dem hellblau-grauen Wappen mit zwei Blumen des Hauses Mocenigo, welches das Wappen der Loredan ersetzt hatte.
    Der Doge sprach sofort die beiden Themen an, die ihm besonders am Herzen lagen: die jüngsten Entwicklungen, den Mord an der Novizin Anna Tagliapietra betreffend, und die Verbrennung der Bibliothek von Lucrezia Cappello.
    Von draußen drang der Lärm des Festes herein, das kein Ende nahm.

27
    Blind zu sein kann sich als Vorteil entpuppen. Durch heldenhafte Taten bei den Curzolaren erblindet zu sein war ein Passierschein, der alle Türen öffnete. Also hatte Angelo Riccio an diesem Morgen die Ärzte gebeten, statt der ungesunden Ausdünstungen des Krankensaals ein wenig frische Luft schöpfen zu dürfen, und war in den Garten des Krankenhauses zwischen die am Vorabend in großen Kesseln mit kochendem Wasser gereinigte und nun zum Trocknen aufgehängte Wäsche der Toten und Verwundeten gebracht worden. Vorsichtig, als handelte es sich um ein soeben gekeimtes Pflänzchen, hatten die Krankenpfleger den Kriegsheimkehrer in einer sonnigen Ecke auf einen Schemel gesetzt, und niemand hatte ihn mehr gestört. So hatte er sich in aller Ruhe die Kleidungsstücke von den Leinen holen können: Strümpfe, dunkle Hosen, ein weißes Hemd, ein gelbes Wams, Mantel und Stoffmütze eines Galeerenruderers. SaubereKleidung, die nach Asche und Sonne roch. Er hatte sich an dem Geruch berauscht.
    So eingekleidet und mit wiedergefundener Sehkraft, verließ Angelo, nachdem er den geeigneten Moment abgewartet hatte, inmitten einer Gruppe Paduaner, die gekommen waren, einen Landsmann zu beerdigen, das Hospital durch die Totentür. Er

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