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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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brachte einen großen Umhang für Odysseus, und als er ihn umgelegt hatte, sah er wie verwandelt aus. Achilleus brummte mißmutig, weil er sich verkleiden mußte. »Als ob ich mich vor einem Trojaner fürchten würde - sei es ein Priester oder Hektor höchstpersönlich!«
    »Meine Güte! Hat er denn nichts anderes im Kopf?« fragte Kassandra.
    Odysseus sagte: »Genug, Achilleus. Als ich dich mitnahm, hast du bei deinen heiligen Vorfahren geschworen, dich in allen Dingen von mir führen zu lassen, und jetzt fordere ich dich auf, dich zu verkleiden. Halte dein Versprechen.«
    Murrend legte sich Achilleus den Umhang um, und Patroklos zog ihm die Kapuze über den Kopf.
    »Deine Haare würden dich sofort verraten. Laß die Kapuze auf!« mahnte er, warf sich den dritten Umhang über und verbarg ebenfalls sein Gesicht. »Aber gehen die Priester des Sonnengottes bei diesem Wetter wirklich so vermummt durch die Stadt, Herrin Kassandra? Die Leute werden glauben, wir hätten alle drei Zahnschmerzen. «
    Kassandra mußte lachen. »Wen kümmert es, was die Leute denken? Die Priester tun das, was ihrer Meinung nach richtig ist. Die Leute werden vielleicht glauben, es gehe um eine geheime Sache. Aber sie werden keine Fragen stellen, und ganz bestimmt wird niemand verlangen, daß ihr eure Gesichter zeigt. Und nur darauf kommt es an. Folgt mir, wir benutzen die kleine Seitenpforte, das bestärkt die Leute in ihrer Vorstellung, daß drei Priester eine Aufgabe erledigen, die nicht bekannt werden soll.«
    Achilleus brummte immer noch leise verdrießlich vor sich hin, aber Kassandra beachtete ihn nicht. Sie führte die drei im Schutz der schnell einbrechenden Dunkelheit eilig den Hügel hinunter. Noch waren die Tage kurz.
    Fackeln brannten an der unteren Treppe des Palastes, und die große Halle war hell erleuchtet. Priamos saß auf seinem Thron. Er ging den drei Männern ein paar Schritte entgegen und begrüßte sie mit ausgesuchter Höflichkeit. Kassandra übersah er, und sie setzte sich auf ihren gewohnten Platz neben Hekabe. Dort konnte sie alles gut sehen und hören.
    Ihre Mutter tätschelte ihr die Hand.
    »Ich wußte nicht, daß wir dich heute abend hier haben würden«, flüsterte sie. »Ist das Achilleus? Für einen Achaier sieht er gut aus. Aber wie meine Mutter sagte, hübsch ist, was gefällt. Ist er so jung, wie er aussieht, oder liegt es nur daran, daß er glatt rasiert ist und jungenhaft wirkt?«
    »Ich weiß nicht, Mutter, aber ich würde sagen, er ist für die Mannbarkeitsriten noch zu jung. Er ist vielleicht sechzehn, höchstens siebzehn.«
    »Und dieser hübsche Junge ist der beste Krieger der Achaier?«
    »So sagte man. Ich habe ihn noch nicht kämpfen sehen, aber man hat mir erzählt, im Kampf ergreift ihr Kriegsgott von ihm Besitz«, murmelte Kassandra.
    Odysseus kam herüber und küßte Hekabe voll Verehrung die Hand.
    »Alle deine Töchter sind schöner als je zuvor«, erklärte er. »Kommt die liebliche Helena heute abend nicht zur Tafel?«
    »Sie liegt noch im Wochenbett«, sagte Hekabe, »und sie speist im Grunde nicht gern mit Männern.«
    »Welch ein Verlust für uns alle«, rief Odysseus. »Aber wenn sie sich an die Sitten ihres Volkes halten will, muß man ihr das vermutlich zugestehen. Hat sie einen Sohn?«
    »Aber ja, einen prachtvollen Jungen. Er ist nicht groß, aber stark und gesund. Er würde jeder Großmutter Ehre machen«, erwiderte Hekabe beinahe schnurrend.
    Odysseus lächelte und sagte: »Hätte ich es gewußt, hätte ich dem Kleinen ein Geschenk mitgebracht. Wenn die Sache gut ausgeht, die wir heute abend besprechen, ist das für alle unsere Söhne vielleicht ein besseres Geschenk als die schönste Perlenkette. « Er verbeugte sich und ging zu seinem Platz. Die Dienerinnen trugen den Wein und die Platten mit Speisen auf.
    Die Sitte verlangte, daß zuerst der Hunger eines Gastes gestillt sein mußte; nachdem der Spießbraten, das Geflügel, der gekochte Fisch, die großen Brotlaibe und in Honig eingelegten Früchte abgeräumt waren, und alle Nüsse knabberten und Wein tranken, sagte Priamos zu Odysseus: »Es ist mir immer ein Vergnügen, dich als Gast an meiner Tafel zu sehen, Odysseus. Aber wie ich gehört habe, bist du heute nicht nur gekommen, um mit mir zu speisen. Was führt dich und deine Freunde aus dem Land der Argiven und von den Inseln heute abend hierher?«
    Achilleus hatte gierig und hungrig gegessen. Die Unruhe war nicht von ihm gewichen. Er stand auf, ging ziellos durch die Halle

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