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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Ratgeber handeln mußte. Eine alte Frau mit einem freundlichen Gesicht hielt er für die Königin: eine Schar Knaben in teuren, bunten Gewändern hielt er - richtig - für die jüngeren Söhne des Priamos, die noch nicht alt genug waren, um an den Wettkämpfen teilzunehmen. Zwei hübsche Mädchen fielen ihm hauptsächlich deshalb auf, weil sie so anders aussahen als Oenone. Er wunderte sich über ihre Anwesenheit - vielleicht war den Frauen aus dem Palast erlaubt, den Wettkämpfen zuzusehen. Nun ja, er würde dafür sorgen, daß sie etwas zu sehen bekamen. Man bedeutete ihm vorzutreten und auf das Ziel zu schießen.
    Sein erster Pfeil ging weit daran vorbei, denn er war nervös; der zweite flog hoch über das Ziel. 
    »Der Fremde soll noch einmal schießen«, sagte Hektor. »Du kennst unsere Ziele nicht. Aber wenn du so hoch und so weit schießen kannst, bist du sicher auch in der Lage zu treffen.« Er erklärte ihm das Ziel und die Regeln.
    Hektors Höflichkeit verblüffte Paris, und er bereitete sich darauf vor, noch einmal zu schießen. Diesmal traf sein Pfeil mitten ins Ziel. Die anderen schossen nacheinander, aber selbst Hektor konnte Paris nicht übertreffen. Jetzt lächelte er nicht mehr, sondern wirkte verärgert und mürrisch. Kassandra wußte, er bedauerte seine spontane Großzügigkeit.
    Es gab noch andere Wettkämpfe, und Kassandra zog sich energisch in ihr Bewußtsein und in ihren Körper zurück. Sie sah mit Freude und Vergnügen, daß ihr Zwillingsbruder jedesmal den Sieg davontrug. Beim Ringen überwand er Deiphobos beinahe mühelos; Deiphobos stand auf und griff ihn noch einmal an, aber Paris warf ihn wieder zu Boden, wo er besinnungslos bis zum Ende der Spiele liegenblieb. Er warf den Speer weiter als Hektor und hörte mit echter Freude und einem stolzen Lächeln, wie die Zuschauer riefen: »Er ist so stark wie Herakles. «
    Ein Diener trat vor den König und die Königin. Kassandra hörte, wie ihr Vater seine Nachricht wiederholte. »Er sagt, der junge Mann heißt Paris. Er ist der Ziehsohn von Agelaos, dem Hirten.«
    Hekabe wurde leichenblaß. »Ich hätte es wissen müssen. Er sieht dir so ähnlich. Aber wer hätte das geglaubt? Es ist so lange her, so lange … «
    Die Wettkämpfe waren vorüber, und Priamos bedeutete Paris, dem Sieger, vorzutreten. Dann erhob er sich.
    »Agelaos«, rief er laut, »du alter Gauner, wo bist du? Du hast mir meinen Sohn zurückgebracht … «
    Der alte Knecht kam zögernd herbei. Er wirkte blaß und schien sich nicht wohl in seiner Haut zu fühlen. Er verneigte sich vor dem König und murmelte: »Ich habe ihm befohlen, heute nicht in die Stadt zu kommen, Herr. Er ist ohne meine Erlaubnis hier, und ich verstehe gut, daß du zornig auf mich, auf uns beide bist.«
    »Nein, keineswegs«, sagte Priamos gnädig, und Kassandra sah, wie die verkrampften Finger ihrer Mutter den schmerzhaften Griff über dem Herzen lösten. »Er macht dir und auch mir Ehre. Es war mein eigener Fehler, daß ich auf den abergläubischen Unsinn gehört habe. Ich kann dir nur danken, alter Freund.« Er zog einen goldenen Ring vom Finger und steckte ihn an den schwieligen Finger von Agelaos.
    »Du hast mehr Dank als das verdient, mein alter Freund. Aber im Augenblick habe ich nicht mehr. Ehe du zu deinen Herden zurückkehrst, werde ich dir ein besseres Geschenk machen.«
    Kassandra sah mit Staunen, wie ihr Vater, der sie so heftig geschlagen hatte, daß sie zu Boden gestürzt war, weil sie sich nach diesem Bruder erkundigt hatte, Paris umarmte und ihm alle Preise der Spiele zuerkannte. Hekabe weinte, trat vor und schloß den verlorenen Sohn in die Arme.
    »Ich hätte nie geglaubt, diesen Tag zu erleben«, murmelte sie. »Ich gelobe, der Göttin eine Färse ohne jeden Makel zu opfern.«
    Hektor sah stirnrunzelnd zu, wie sein Vater Paris mit Geschenken überhäufte: der versprochene Dreifuß (Paris erklärte, er wolle ihn seiner Ziehmutter geben), ein Purpurmantel mit Stickereien, den die Palastfrauen gewebt hatten, ein schöner Bronzehelm, ein Eisenschwert.
    »Natürlich kommst du mit uns in den Palast und wirst mit deiner Mutter und mir speisen«, bestimmte er schließlich strahlend. Als Priamos sich erhob und seinen Mantel über den Arm legte, trat einer der alten Männer zu ihm und flüsterte erregt auf ihn ein. Kassandra erkannte an dem Gewand, das der alte Mann trug, daß er einer der Priester und Wahrsager war.
    Priamos sah den Mann finster an und entließ ihn schließlich mit einer

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