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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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stand und deshalb dem Vater gegenübertreten konnte, der ihn bei der Geburt hatte aussetzen wollen, ihn nun aber anerkannte und ihm seinen rechtmäßigen Platz in der Familie einräumte.
    Hektor ging neben Andromache. Er drehte sich um, legte ihr den Arm um die Schulter und umarmte sie rauh, aber herzlich.
    »Willkommen, Schwester Kassandra. Wie braun und sonnenverbrannt du aussiehst. Nach der langen Zeit bei den Amazonen ist das wohl nicht weiter verwunderlich. Warum hast du nicht zum Bogen gegriffen und mit den anderen um die Wette geschossen?« 
    »Das hätte sie tun können«, sagte Andromache, »und besser geschossen als du. Das kannst du mir glauben.«
    »Ganz bestimmt«, sagte Hektor, »ich war heute nicht in Hochform, und« - er räusperte sich und senkte nach einem kurzen Blick über die Schulter auf Paris seine Stimme - »ich würde mich lieber von einem Mädchen schlagen lassen als von diesem Emporkömmling.« Er wandte sich an Deiphobos, der sich immer noch den Kopf hielt, als habe er Schmerzen. »Sag mir, Bruder«, fragte er, »was sollen wir mit ihm machen? Ich habe mir mit der alten Geschichte, daß mein Vater ihn aussetzen ließ, weil er eine Bedrohung für Troia darstellt, bereits den Mund verbrannt. Soll ich darüber hinweggehen, weil mein Vater geruht hat, mich mit einer schönen Frau zu besänftigen?«
    Deiphobos erwiderte: »Wie es aussieht, ist Vater bereits völlig in ihn vernarrt. Er sollte von König Pelias lernen, der plötzlich seinem verlorenen Sohn Jason gegenüberstand. Wenn ich mich richtig erinnere, schickte er Jason zum Ende der Welt, um das Goldene Vlies zu suchen… «
    »Aber in Kolchis gibt es kein Gold mehr«, sagte Andromache. 
    »Nun ja, wir müssen einen Weg finden, ihn loszuwerden«, erklärte Hektor. »Vielleicht können wir Vater überreden, Paris zu Agamemnon zu schicken, um ihn zu bezaubern und zu überreden, Hesione zurückzugeben.«
    »Ein guter Gedanke«, sagte Deiphobos. »Und wenn das nicht gelingt, können wir ihn zu den Sirenen schicken, um ihnen ihre Schätze abzuschwatzen. Oder er soll die Kentauren beschlagen und ihnen Geschirr anlegen, damit sie unsere Streitwagen ziehen…«
    »Oder irgend etwas anderes, das ihn viele tausend Tagesreisen von Troia wegführt«, stimmte Hektor zu. »Und das ist das Beste für Vater, denn die Götter haben bestimmt, daß er Troia kein Glück bringt. «
    »Uns ganz bestimmt auch nicht«, sagte Deiphobos. 
    Kassandra hatte genug gehört. Sie blieb zurück und ging wieder neben Paris. 
    »Du«, sagte er und sah sie dreist an. »du - ich dachte, du seist ein Traum.« 
    Und als sich ihre Blicke zum ersten Mal trafen, spürte sie, wie sich das Band wieder festigte, das zwischen ihnen bestand. War auch er sich bewußt, wie sehr ihre Seelen miteinander verbunden waren?
    »Ich dachte, du seist ein Traum«, wiederholte er, »vielleicht auch ein Alptraum.«
    Seine Grobheit traf sie wie ein Schlag; sie hatte gehofft, er würde sie freudig umarmen. Sie sagte: »Bruder, weißt du, daß sie ungute Pläne gegen dich schmieden? Unsere Brüder heißen dich in Troia nicht willkommen.« Sie suchte wieder die Verbindung mit ihm, aber er zog sich zornig zurück.
    Er erwiderte: »Das weiß ich. Glaubst du, ich bin ein Dummkopf? Und von jetzt an behalte deine Gedanken bei dir, Schwester - und dränge dich nicht in meine.«
    Die Härte, mit der er sich vor ihr verschloß, schmerzte sie, und sie zog sich von ihm zurück. Seit sie etwas von ihm wußte und dem Band, das zwischen ihnen bestand, hatte sie geglaubt, er werde sie voll Freude begrüßen, wenn sie sich endlich begegneten, und von da an wäre sie für ihn etwas Besonderes, etwas Wertvolles. Statt dessen wies er sie zurück und betrachtete sie als Eindringling. Begriff er denn nicht, daß sie als einzige bereit war, ihn in Liebe und Anerkennung hier willkommen zu heißen, und zwar noch mehr als Priamos?
    Nun gut, sie würde nicht weinen und um seine Liebe betteln. 
    »Wie du willst«, fauchte sie ihn an. »Ich habe mir nie gewünscht, auf diese Weise an dich gebunden zu sein. Glaubst du vielleicht, unser Vater hätte den falschen Zwilling ausgesetzt?« Sie wandte sich heftig von ihm ab und lief zu Andromache. Die Freude über die Rückkehr war ihr verdorben.

16
    Kassandra hatte den Eindruck, es sei mehr eine Feier aus Anlaß von Paris’ Rückkehr in die Familie als eine Hochzeit für Hektor und Andromache, obwohl Priamos, nachdem er entschieden hatte, daß die Hochzeit stattfinden solle,

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