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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Alpträume schickt, um ein unschuldiges kleines Kind, ein Neugeborenes, in der Wiege zu vernichten? Bei meinem Volk«, fügte sie vorwurfsvoll hinzu, »gehört das Kind seiner Mutter, und niemand außer ihr, die es beinahe ein Jahr getragen und geboren hat, kann sein Schicksal bestimmen. Wenn sie sich weigert, es zu stillen und großzuziehen, ist das ihre Entscheidung. Welches Recht hat jemand, der ein  Mann  ist?« Sie sagte nicht  nur  ein Mann. Aber ihr Ton verriet, daß sie das dachte.
    »Das Recht eines  Vaters «, erwiderte Priamos streng, »ich bin Herr in diesem Haus. Und es soll geschehen, was ich gesagt habe. Hast du mich verstanden, Frau!«
    »Nenn mich nicht  Frau  in diesem Ton«, rief Hekabe, »ich bin eine freie Bürgerin und eine Königin und keine deiner Sklavinnen und Konkubinen!« Trotzdem wußte sie, Priamos würde seinen Willen durchsetzen. Als sie beschlossen hatte, einen der Männer zu heiraten, die in Städten wohnen und sich Rechte über ihre Frauen anmaßen, wußte sie, sie hatte sich mit seinen Gesetzen einverstanden erklärt. Priamos erhob sich und gab der Priesterin ein Goldstück. Sie verneigte sich und ging.
    Drei Tage später setzten Hekabes Wehen ein, und sie gebar Zwillinge: zuerst einen Sohn und dann eine Tochter. Die beiden glichen sich wie eine Rosenknospe der anderen am selben Zweig. Sie waren beide gesund, wohlgeformt und schrien energisch, obwohl sie so winzig waren, daß Hekabe mit der Hand den Kopf des Jungen umfassen konnte. Das Mädchen war sogar noch winziger.
    »Sieh ihn dir an, mein Gebieter«, sagte sie heftig zu Priamos, als er kam. »Er ist nicht größer als ein Kätzchen! Und du fürchtest, ihn habe ein Gott geschickt, um Unheil über unsere Stadt zu bringen?« 
    »Es ist etwas Wahres an dem, was du sagst«, räumte Priamos ein, »königliches Blut ist schließlich königliches Blut und geheiligt. Er ist der Sohn eines Königs von Troia … « Er überlegte. »Bestimmt würde es reichen, ihn fern der Stadt aufziehen zu lassen. Ich habe einen alten, vertrauenswürdigen Diener, einen Hirten an den Hängen des Ida. Bei ihm soll das Kind aufwachsen. Bist du damit einverstanden, meine Gemahlin?«
    Hekabe wußte, wenn sie es nicht war, würde man das Kind auf einem Berg aussetzen. Es war so klein und zart, daß es schnell sterben würde. »So sei es im Namen der Göttin«, sagte sie fügsam und übergab den Jungen Priamos, der ihn ungeschickt hielt, wie jemand, der nicht gewöhnt ist, mit kleinen Kindern umzugehen. Er blickte dem Neugeborenen in die Augen und sagte: »Sei gegrüßt, mein kleiner Sohn. « Hekabe seufzte erleichtert. Nachdem ein Vater sein Kind formell anerkannt hatte, konnte er es nicht töten oder aussetzen lassen.
    Man hatte Hektor und Polyxena erlaubt, ihre Mutter zu besuchen. Hektor fragte jetzt: »Wirst du meinem Bruder einen königlichen Namen geben, Vater?«
    Priamos dachte stirnrunzelnd nach. Dann sagte er: »Alexandros. Also soll das Mädchen Alexandra heißen.«
    Er ging und nahm Hektor mit sich. Hekabe blieb mit dem neugeborenen, dunkelhaarigen Mädchen im Arm zurück und sagte sich, der Gedanke müsse sie trösten, daß ihr Sohn lebte, selbst wenn sie ihn nicht aufziehen konnte, und daß ihr immer noch die Tochter blieb.  Alexandra ? dachte sie.  Ich werde sie Kassandra nennen .
    Polyxena war mit den Frauen zurückgeblieben und kam nun an Hekabes Bett. Hekabe fragte: »Gefällt dir deine kleine Schwester, mein Liebling?«
    »Nein, sie ist rot und häßlich. Sie ist noch nicht einmal so hübsch wie meine Puppe«, sagte Polyxena.
    »Alle kleinen Kinder sind so, wenn sie geboren werden«, sagte Hekabe, »du warst genauso rot und häßlich. Und sie wird bald genauso hübsch sein wie du.«
    Das Kind fragte finster: »Warum willst du noch eine Tochter, Mutter, obwohl du mich hast?«
    »Weil eine Tochter etwas Gutes ist, Liebling, aber mit zwei Töchtern ist man zweifach gesegnet. «
    »Aber Vater findet nicht, daß zwei Söhne besser sind als ein Sohn«, widersprach Polyxena, und Hekabe erinnerte sich an die prophetischen Worte der Frau auf der Straße. In ihrem Stamm hielt man Zwillinge für ein schlechtes Omen, und sie wurden ausnahmslos getötet. Wäre sie bei ihrem Stamm geblieben, hätte sie mitansehen müssen, wie beide Kinder geopfert wurden.
    Hekabe empfand immer noch eine Spur der abergläubischen Furcht. Was konnte für ein Unrecht geschehen sein, um ihr Zwillinge zu schicken, als sei sie ein Tier, das seine Jungen warf? Ja, die

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