Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)
stieß ihn von dem Maststück weg. Verzweifelt versuchte er sich festzuhalten, griff nach einem meiner Beine, ich trat ihn mit dem anderen, er ließ los, Blasen stiegen auf, und er versank in der Tiefe.
Ein rotes Tuch trieb an mir vorbei, es war eine Schärpe oder etwas Ähnliches, vielleicht hatte sie dem Piraten gehört, vielleicht auch nicht, ich ergriff sie. Das leuchtende Rot war weitaus besser zu erkennen als das dunkle Leinen, das ich noch am Körper trug.
Ich schlang das Seil um Oberkörper und geborstenen Mast, zog den Knoten so fest, dass ich nicht hinausrutschen würde, selbst wenn mich meine Kräfte verlassen sollten, und lehnte erschöpft die Stirn ans nasse Holz.
Schon immer hatte ich fühlen können, wo Seelenreißer sich befand, das Schwert steckte noch immer in der Seite der fliegenden Echse … und versank tief unter mir in der endlosen Dunkelheit.
Ein letztes Mal sah ich das Segel der Lanze , als eine Welle mich besonders weit emporhob, erkannte auch die anderen Segel, die ihr folgten, dann sackten der Mast und ich ins Wellental zurück.
Die Nacht kam, und Soltars Tuch präsentierte mir die Sterne in einer Klarheit, wie ich sie zuvor nur selten gesehen hatte. Ich gab die schwache Hoffnung auf, die Lanze heranpreschen zu sehen, und konnte nur beten, dass meine Freunde im Schutz der Nacht entkommen konnten.
Vielerlei Gedanken kamen mir. Ich überlegte, ob ich mich von Stiefeln und Gewand befreien sollte, entschied mich aber dagegen, als etwas meine Beine streifte; ich wollte nicht, dass mir die Fische an den Zehen knabberten. Zudem bildete ich mir ein, dass mich meine Kleider wärmer hielten.
In dieser Nacht hatte ich viel Zeit, über all das nachzudenken, was mir widerfahren war. Als dieses Abenteuer begann, hatte ich darauf gewartet, den Tod zu finden. Als nach dieser Nacht im Meer die erste Morgenröte kam, wusste ich, dass ich leben wollte.
Ich brauchte nur den Strick zu lösen, und meine Kleidung würde mich auf den Grund des Meeres ziehen. Ich konnte es jedoch nicht.
Hoffnung, sagt man, sei das größte Geschenk des Göttervaters an die Menschen gewesen. Hoffnung und Glaube.
Eine der Möwen landete auf dem Maststück, beäugte mich mit schrägem Kopf, stellte fest, dass ich noch lebte, und flog enttäuscht davon.
Seelenreißer lag irgendwo tief unter mir auf dem Grund des Ozeans. Nie wieder würde ich die fahle Klinge führen … Zuerst wusste ich nicht, ob ich es bedauern sollte oder nicht, zum Schluss entschied ich, dass ich nun endlich frei war.
Was auch immer geschah, ohne die Magie der verfluchten Klinge gab es nichts mehr, was mich von anderen unterschied. Meine Zeit auf dieser Weltenscheibe war nun wieder begrenzt. Wenn ich das hier überlebte, was mir unwahrscheinlich vorkam, war die Anzahl meiner Jahre vorgegeben.
Ohne die Klinge war ich nicht mehr als ein Schweinehirt. Und froh darum.
Die Möwen, die über mir kreisten, zogen davon, als ich zu lachen begann. Sie hatten recht, sie konnten warten, bis das Leben und der Wahnsinn mich verlassen hatten.
Das Auf und Ab der Wellen war einschläfernd. Es gab nichts zu sehen außer dem endlosen Meer, also schloss ich die Augen. Die Sonne stieg und brannte auf mich herab, ich fand, dass ich gut entschieden hatte, meine Kleidung zu behalten, die Sonne hätte mich hoffnungslos verbrannt. Ich wickelte die rote Schärpe um mein Haupt, und irgendwann schlief ich ein.
Als ich erwachte, waren meine Lippen aufgerissen, Durst plagte mich, und mein leerer Magen reute das Opfer, das ich den Fischen gegeben hatte.
Kicherndes Geschnatter hatte mich geweckt, ich öffnete die Augen und sah eine lange, zahnbewehrte Schnauze, die in einem freundlichen Grinsen endete. Am rechten Auge des Delphins erkannte ich dunkle Punkte, die wie Sommersprossen wirkten. Er schwamm unter mich, stupste mich mit der Nase an und schien mich schnatternd auszulachen. Immer wieder kam er an mich heran, und endlich verstand ich, was er wollte.
So ganz hatte ich die Legenden nicht geglaubt, doch als auch die anderen drei Delphine hinzukamen und mich mit ihren Körpern fast aus dem Wasser hoben, erwiesen sie sich als wahr. Waren es wirklich die Geister von Seeleuten? Waren dies Sinor und Amandus? War das überhaupt wichtig?
Ich sah mich um … In den endlosen Wassern waren diese vier die Einzigen, die Hoffnung gaben. Hoffnung und Glauben.
Das Seil hatte sich vollgesogen, meine steifen Finger hatten Mühe, die Schlinge zu lösen, doch letztlich gelang es mir. Ich
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