Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)
hängen.«
Manchmal plagten mich Albträume. Das hier war nicht viel anders. Es erschien mir unwirklich. Der Arzt hatte sich hinter mich gesetzt, ich sah ihn nicht. Über mir schwankten die Laternen im Seegang und warfen seltsame Schatten, während der Arzt seinem Handwerk nachging. Er hatte recht, es schmerzte nicht. Nicht sehr. Es war nur … verstörend zu fühlen, wie er mir die Haut aufschnitt und sie zur Seite klappte, zu hören, wie es knirschte, sein angespannter Atem in meinem Ohr … Einmal fluchte er, als eine Welle das Schiff traf.
Ich konnte keinen Gedanken halten, mir zerfaserte jeder Sinn, und es war, als ob ich wieder im Meer trieb. Irgendwann glitt ich in einen tiefen dunklen Traum, und die Laternen über mir verblassten zu fernen Lichtern, die schließlich erloschen.
»Wie geht es ihm?«, weckte mich die Stimme von Korporal Amos.
»Ihr habt gesagt, es gäbe einige Ungereimtheiten an diesem Mann«, kam die müde Antwort des Arztes.
»Ja, wieso?«
»Weil es eine weitere gibt. Es geht ihm zu gut.«
»Wie das?«, fragte Amos.
»Hier, seht Ihr? Ich habe ihm hier die Kopfhaut genäht.« Es piekste und zog dort. »Und jetzt ziehe ich ihm den Faden.«
»Aber das war heute Nacht, nicht wahr?«, fragte Amos interessiert.
»Richtig. Er hatte kurz und heftig Fieber, etwa eine halbe Kerze lang. Dann war das vorbei und er schlief. Als ich vorhin nach ihm sah, war die Naht bereits geschlossen. Und Ihr seht selbst …« Seine Finger tasteten mir über den Schädel. »Es ist zu früh dafür, aber der Knochen sitzt schon wieder fest. Kurz gesagt, er heilt schneller, als das sein dürfte.«
So ganz war ich noch nicht wach, aber mich wunderte es ein wenig, das zu hören. Schließlich besaß ich Seelenreißer nicht mehr.
»Vielleicht hätte er auch ohne meine Operation überlebt. Es ist nicht das erste Mal, dass ihm der Schädel gebrochen ist. Es geschah bestimmt ein halbes Dutzend Mal, und immer ist er ihm wieder zusammengewachsen, jedes Mal fester als zuvor.« Er tastete noch immer über meine Kopfhaut. »Seht Ihr diese Narbe hier? Das war ein Schwertstreich. Er hätte ihm den Schädel spalten sollen. Er hat ihm den Schädel gespalten. Und doch lebt er. Es hat sich alles wieder zusammengefügt.«
Ich konnte mich gar nicht daran erinnern, dass es mir den Schädel gespalten hatte. Vielleicht war es am Pass geschehen … Die Erinnerung an diesen langen Kampf war mehr als unklar. Ich war dort mehr als einmal gestorben.
»Ich zeige Euch etwas anderes«, meinte der Feldscher und griff mir in den Mund wie einem Gaul. »Seht Ihr seine Zähne? Er hat sie noch alle, und selten habe ich ein solch gutes Gebiss gesehen.«
Ich öffnete die Augen und funkelte den Feldscher an, und er nahm seine Finger hastig aus meinem Mund. Dem Licht nach, das durch die Luken fiel, war es früher Morgen.
Amos schwieg und schaute mich nachdenklich an. Ich sah ihn nicht mehr doppelt und dreifach, die Seekrankheit war von mir gewichen, und meine Kopfschmerzen waren erträglich. Ich hatte Hunger genug für zehn und einen Durst, dass ich ein Fass hätte aussaufen können.
»Habt Ihr eine Erklärung dafür?«, fragte er den Arzt.
Der Feldscher schüttelte den Kopf. »Nein. Es widerspricht allem, was ich weiß.«
»Und du?«, fragte mich der Korporal direkt. »Was sagst du dazu?«
Sollte ich ihm nun die Geschichte von Seelenreißer erzählen? Besser nicht. Also schüttelte ich nur den Kopf, was ich sofort bereute.
»Ich habe keine Erklärung«, krächzte ich. Was ja auch stimmte. Ich verstand auch nicht, was geschehen war, denn ohne das Schwert an meiner Seite hätte ich keine Heilung erwartet.
»Er könnte allerdings ein Nekromant sein«, sprach der Arzt weiter, während er seine gereinigten Instrumente sorgfältig in seiner Tasche verstaute. »Von ihnen ist bekannt, dass sie sich selbst heilen können.«
»Götter!«, murmelte ich. »Wie könnt Ihr so etwas sagen!«
Der Arzt schloss seine Instrumententasche mit einem lauten Klicken.
»Weil ich genau das denke«, teilte er mir mit hartem Blick mit. »Ich war schon selbst versucht, Euch ein Ende zu setzen. Nur mein Eid hat mich daran gehindert … und weil ich es nicht genau weiß .«
»Was wisst Ihr nicht?«, fragte die Frau von der Tür her. Sie sah etwas müde aus, doch ihre grauen Augen blickten genauso hart wie zuvor.
»Unser Freund hier heilt erstaunlich schnell«, erklärte Amos. »Devon meint, er könnte ein Nekromant sein.«
»Ihr seid von Sinnen«, widersprach ich
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