Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)
gebunden und geknebelt auf Deck wieder, die Ruder wurden gerade eingebracht, und über mir blähte sich das Segel im Wind. Ich lag mit dem Kopf zuunterst und den Füßen nach oben über einer Ruderbank, und über mir sah ich das kantige Gesicht des langhaarigen Mannes, der sich gerade ein buntes Hemd auszog und es mit angewidertem Gesichtsausdruck fallen ließ. Er bemerkte, dass ich wach war.
»Lanzenkapitän, der Kerl ist schon wieder wach«, rief er nach hinten. »Du hast wirklich einen harten Schädel«, teilte er mir dann bewundernd mit, während er sich zu meinem Erstaunen den Bart einfach abriss. Er kratzte sich am glattrasierten Kinn.
»Dann ändert etwas an diesem Zustand, Korporal«, kam die Stimme der Sklavenhändlerin vom Achterdeck, das ich nicht einsehen konnte.
»Aye, Ser«, antwortete der Mann über mir und zog sich auch noch die langen verfetteten Haare vom Kopf, während er nach dem Knüppel an seiner Seite griff. »Gute Nacht«, meinte er noch freundlich und schlug zu.
Ich hatte Seelenreißer fast zweihundertundsiebzig Jahre lang getragen. Einiges hatte ich erlebt, aber bevor ich Leandra getroffen hatte, war es nie dazu gekommen, dass ich in Fesseln aufwachte. Seitdem aber schien mir genau das ständig zu widerfahren.
Diesmal war meine Zelle nicht aus Stein, sondern aus hartem Holz. Es war eher eine niedrige Kammer mit einer stabilen Tür. Der Boden war nicht eben, die harten Planken formten einen Winkel, der zu einem Brett führte, das als Sitzbank dienen konnte. Stehen konnte ich hier nicht, es war zu niedrig dafür. Meine linke Hand war in schweres Eisen geschlagen, eine Kette führte zu einem mit Messing eingefassten Loch in der Wand. Ich zog daran, sie kam rasselnd ein Stück heraus und blieb dann stecken.
Es stank nach fauligem Wasser und Meer, unter mir gurgelte und schwappte es, genauso hinter und über mir. Ein wenig Licht fiel durch den Spalt der massiven Tür, gerade genug, um zumindest etwas zu erkennen. Die ganze Kammer hob und senkte sich, kippte nach vorn und zur Seite, kam wieder empor und drehte sich andersherum. Das Rauschen des Wassers über mir verriet zum einen, dass das Schiff, auf dem ich mich befand, schnelle Fahrt machte, zum anderen, dass ich mich unterhalb der Wasserlinie befinden musste. Ein Gedanke, der mir wenig behagte.
Meinem Magen auch nicht. Bevor ich noch recht bei Sinnen war, hob er sich mit Macht. Ich hatte gehofft, dass ich von dieser Krankheit befreit wäre, aber offenbar war dem nicht so. Es gab eine Schüssel mit einem breiten Fuß an einer kurzen Kette, die vor mir hin- und herschlitterte. Ich griff sie hastig und war dankbar für ihre Anwesenheit. Schlimmer als in dieser Kammer eingesperrt zu sein, wäre gewesen, sie mit meinem eigenen Auswurf teilen zu müssen.
Der Mangel an frischer Luft und Licht verstärkte die Krankheit noch um ein Vielfaches, so elend war mir wahrlich noch nie zuvor gewesen. Außerdem dröhnte mir der Schädel auf eine Art, die mich doppelt sehen ließ; jedes Mal, wenn ich mich bewegte, schien es endlos zu dauern, bis mein Blick der Bewegung folgen konnte. Ein Teil der Übelkeit kam auch von dem Kopfschmerz, meine Gedanken waren träge wie Schnecken.
Dennoch nahm ich die Schritte über mir wahr, die Kommandos, das Knarren des Schiffs, die Rufe der Besatzung.
Dieses Schiff war kein Sklavenschiff. Dazu stank es zu wenig. Der Mann mit dem Knüppel hatte die Sklavenhändlerin Lanzenkapitän genannt, sie ihn Korporal . Zudem hatte jemand meine Wunden zumindest notdürftig versorgt, etwas, dass man von Sklavenhändlern wohl kaum erwarten konnte.
Das lag daran, dass es gar keine waren.
Vielmehr war die Flotte der Reichsstadt offensichtlich dreist genug gewesen, ein Schiff in den Piratenhafen zu schicken. Es sah aus, als wäre ich jetzt doch noch auf dem Weg nach Askir. Wenn auch nicht ganz so wie geplant.
Ich tastete meine Hand ab. Ja, ich trug noch den Ring des Kommandanten der Zweiten Legion. Das Missverständnis ließ sich also aufklären. Doch der Ring, den mir Imra, der Prinz der Elfen, gegeben hatte, den hatte man mir abgenommen. Und alles andere: Ich war völlig nackt in dieser Kammer.
Ich wusste nicht, wie lange ich da in meinem Elend gelegen hatte, es mochten zwei, drei Glocken oder vielleicht ein halber Tag gewesen sein. Irgendwann zog man mir die Kette an der Hand straff, sodass ich an der Wand gehalten wurde, und die niedrige Tür öffnete sich. Durch einen Abgang in der Nähe fiel etwas Licht, ich sah blinzelnd zu
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