Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
bereits neu gelernt. Mit einer gewissen Sicherheit setzte sie einen Fuß vor den anderen, besann sich ganz auf den Rhythmus der Schritte und das Rascheln des trockenen Laubes unter den Fußsohlen.
Schließlich entdeckte sie ein silbernes Band, das sich zwischen den Bäumen entlangschlängelte und das rötliche Licht der erlöschenden Sonne spiegelte. Sie hastete zu dem Bach, tauchte das Gesicht ins Wasser und trank gierig.
Durst, ich hatte Durst , folgerte sie. Kühl rann ihr das köstliche Nass die Kehle hinunter und löschte den Brand, der sie gequält hatte. Als sie die Augen öffnete, erblickte sie lange schwarze und blaue Haare, die in der Strömung ihr Gesicht umtanzten. Ihre Haare. Sie tauchte auf und holte tief Luft. Ihr war eine Idee gekommen. Sie schaute sich suchend um und entdeckte nicht weit entfernt das, was sie im Sinn hatte. Sie überlegte, wie sie dorthin gelangen konnte. Dazu musste sie durch den Bach, zunächst über eine Reihe größerer Steine, und dann auch tiefer ins Wasser eintauchen. Das traute sie sich zu.
Sie war selbst erstaunt, wie flink sie sich bewegte, wie mühelos sie von Fels zu Fels hüpfte und dann auch bis zur Hüfte durch das Wasser watete. So erreichte sie die Stelle, die sie entdeckt hatte. Dort sammelte sich das Flusswasser zwischen einigen kreisförmig angeordneten Felsblöcken und bildete einen kleinen Teich fast ohne Strömung. Da ihr die Sonne im Rücken stand, breitete sich diese Lache wie ein heller Spiegel vor ihr aus. Sie beugte sich nieder, hielt jedoch plötzlich erschrocken und unsicher in der Bewegung inne. Die Furcht, im nächsten Moment vielleicht in ein Gesicht zu blicken, das ihr völlig unbekannt war, zog ihr die Eingeweide zusammen. Doch sie kämpfte dagegen an. Wahrscheinlicher war, dass ihr der Anblick weiterhelfen und ihr schlagartig all das einfallen würde, was sie vergessen hatte.
Langsam beugte sie sich weiter vor. Da erblickte sie einen zierlichen ovalen Kopf, umrahmt von schwarzen Haaren, die hier und dort von glitzernd blauen Strähnen durchzogen waren. Ein schmales, längliches Gesicht mit jedoch vollen Wangen. Eine hohe Stirn, vor der sich die Haare zu beiden Seiten wie ein Vorhang öffneten. Ein kleiner, schön gezeichneter Mund, rot schimmernde Lippen, die sich deutlich von der blassen Haut abhoben. Eine gerade, lange Nase, schmale Augenbrauen. So weit, so gut, doch ihre Befürchtungen bestätigten sich: Es war das Gesicht einer völlig fremden jungen Frau. Ihre Miene verdüsterte sich, und ihre Augen begannen zu glänzen.
So also verändert sich mein Gesicht, wenn ich Angst habe , sagte sie sich.
Die Augen waren es auch, die sie an ihrem Gesicht besonders faszinierten. Sie waren verschieden. Groß, länglich geschnitten und fast beunruhigend klar, war das eine tiefschwarz und das andere von einem kräftigen Violett. Das gab es wohl selten, dass jemand zwei verschiedene Augenfarben hatte: Aus irgendeinem Grund wusste sie das. Die Stirn auf dem Wasserspiegel glättete sich. Das konnte von Vorteil
sein. Mit solch einer seltenen Eigenschaft war sie leichter wiederzuerkennen.
Sie richtete sich auf und tat entschlossener, als sie es eigentlich war.
Ich muss mich auf den Weg machen.
Wieder eine Aufforderung, deren Sinn sie nicht verstand, die aber so gebieterisch klang, dass sie ihr blind vertraute. Obwohl ihr der eigene Körper völlig unbekannt war, tat sie doch, wozu er sie anhielt. Als sie Durst verspürte, hatte er ihr eingegeben, was sie tun musste. Kein Zweifel, es war ratsam, sich an die Geistesblitze zu halten, die sie manchmal überkamen. Sie waren es gewesen, die sie bislang am Leben erhalten hatten.
Sie folgte dem Flusslauf, weil sie sicher irgendwann wieder Durst bekommen würde und nicht wusste, wie sie einen Wasservorrat hätte mit sich führen können. Zudem glaubte sie zu wissen, dass sie sich von dem Fluss leiten lassen musste, um vielleicht jemanden zu treffen, der sie kannte oder ihr einfach nur weiterhelfen würde.
Bereits unsichtbar, jenseits der Baumwipfel, vollendete die Sonne am Himmel ihren Lauf. Das bernsteinfarbene Licht wurde immer rötlicher und ging dann in ein blasses Blau über. Eine kurze Weile war alles um sie herum in violettes Licht getaucht, dann brach die Nacht herein, und die Finsternis senkte sich hernieder.
Das Mädchen hätte nicht sagen können, wie weit es bereits gelaufen war. Es wusste nur, dass es dunkel war und die Kräfte sie verließen. Ohne zu rasten, würde sie nicht mehr weit
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