Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
wieder um. Die Wiese schien grenzenlos.
Etwas anderes gibt es wohl nicht , überlegte sie beklommen. Dann aber erkannte sie in der Ferne einen dünnen, etwas dunkleren Streifen. Bäume?
Dorthin musst du gehen .
Als sie sich nach dem Grund fragte, fand sie keine Antwort, wusste nur, dass es richtig war. Und so machte sie sich auf, vorsichtig, mit einem Gefühl, als hätte sie noch nie zuvor einen Fuß vor den anderen gesetzt. Kaum gelang es ihr, das Gleichgewicht zu halten, die Beine schmerzten, die Rückenmuskeln ächzten. Am liebsten hätte sie sich wieder ins Gras fallen lassen.
Ich lass mich hier nieder und warte, dass jemand vorüberkommt . Ein tröstlicher Gedanke, und einen Moment lang war sie wirklich überzeugt, dass es das Richtige gewesen wäre.
Hier kommt niemand vorüber , ermahnte sie sich dann jedoch selbst mit eiskalter Gewissheit. Und so richtete sie den Blick wieder auf die grüne Linie vor ihr und schleppte sich weiter, Schritt für Schritt, wankend. Die Blumen um sie herum neigten das Haupt, wenn der Wind sanft über sie hinwegstrich, und träge wogte das Gras auf und ab. Doch davon ließ sie sich nicht ablenken. Obwohl in dieses Nichts eingetaucht und ergriffen von einer nicht abzuschüttelnden Furcht, verfolgte ihr Geist nun ein klares Ziel, das sie nicht aus den Augen verlieren wollte.
Je näher sie kam, desto höher ragten die Bäume vor ihr auf. Braune Stämme, Geäst, das sich dem blauen Himmel entgegenreckte, und eigentümlich geformte Blätter von einem verschossenen Grün. Wie auf eine Luftspiegelung starrte sie dorthin, während sie mit immer entschlosseneren
Schritten darauf zumarschierte. Und als sie endlich eine Hand auf die raue Rinde eines Stammes legte, lächelte sie erleichtert. Sie war erschöpft. Als sie sich an dem Stamm hinuntergleiten ließ, verhakte sich ihr Hemd an der Rinde und rutschte ihr die Beine hinauf, fast bis zum Gürtel – ja, so nennt man das, Gürtel -, der es in der Taille hielt. So saß sie da und betrachtete den Weg, den sie zurückgelegt hatte. Wie weit er war, hätte sie nicht sagen können, und auch nicht, wie lange sie dafür gebraucht hatte. Sie erinnerte sich nicht, wie ein Raum gemessen wurde, wusste nicht, wie man verrinnende Zeit bestimmte. Und wieder überkam sie Mutlosigkeit. Da spürte sie, wie ihr etwas Feuchtes über die Wangen rann. Sie fuhr mit der Hand darüber. Nass fühlte es sich an. Sie wurde noch trauriger und versank in abgrundtiefer Verzweiflung, riss den Mund weit auf, stöhnte und heulte, während dicke Tropfen ihr aus den Augen auf den Schoß fielen und den Stoff ihres Gewandes mit kreisrunden Flecken tüpfelten.
Sie war wohl eingeschlafen, denn als sie wieder zu sich kam, war das Licht anders. Nicht mehr grell und blendend wie zuvor, als sie sich über die Wiese zu den Bäumen geschleppt hatte, sondern rötlich, bernsteinfarben. Und es war kälter geworden. Als sie ihre Wangen berührte, stellte sie fest, dass sie mit etwas Rauem überzogen waren. Mit dem Fingernagel schabte sie etwas davon ab, steckte sich den Finger in den Mund und fuhr mit der Zunge darüber. Es schmeckte salzig.
Schmerz ist salzig , sagte sie sich.
Erneut versuchte sie, ihr Gedächtnis zu durchstöbern. Vielleicht hatte der Schlaf ihren Geist erfrischt, so dass die Erinnerung zurückkehrt war. Aber nein. Ihr Kopf war völlig leer, war wie eine weiße Fläche, auf der sich nichts als die Eindrücke abzeichneten, die sie seit ihrem Erwachen dort hinten auf der Wiese gesammelt hatte. Davor lag nichts, keinerlei Erinnerung, in ihrem Kopf war nichts als eine finstere,
formlose Leere. Und wieder überkam sie diese kalte, schleichende Angst. Auch etwas anderes quälte sie, eine Trockenheit, die Mund und Kehle erfasst hatte. Da vernahmen ihre Ohren ein gleichmäßiges Geräusch, eine Art Gluckern, ähnlich jenem, nur viel klarer, das sie gleich nach dem Aufwachen auf der Wiese wahrgenommen hatte.
Dort muss ich hin . Warum sie das tun musste, hätte sie nicht sagen können, doch dass es das Richtige war, dass es ihr guttun würde, dies spürte sie ganz deutlich.
Sie hatte nicht vergessen, wie mühsam das Aufstehen zuvor gewesen war. Deshalb krallte sie jetzt ihre Finger in die Rinde und machte sich auf die Schmerzen gefasst. Doch es war halb so wild. Sie fühlte sich schon viel kräftiger, auch wenn ihre Muskeln und Gelenke immer noch ein wenig ächzten und stöhnten. Sie stieß sich von dem Stamm ab und marschierte los. Es war, als habe sie das Laufen
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