Die Feuerkämpferin 03 - Im Land der Elfen
Warum?«
Warum nur habe ich meine Kräfte verlieren müssen? Warum tragen meine Beine mich nicht mehr? Und was ist mit Thenaar? Wo ist Thenaar jetzt?, sponn sie im Geiste den Gedanken weiter.
»Ich bleibe bei dir«, sagte sie und legte Amhal die Hände auf die Brust. »Das ist mein Platz. Nur an diesem Platz will ich noch sein.«
Ein weiterer Erdstoß, und die Decke begann einzustürzen. Adhara beugte sich vor, um Amhal zu beschützen, während um sie herum die Wände einrissen und der Stuck in unzählige Brocken zersplitterte. Als sie hochblickte, sah sie ihn.
Er stand auf den Resten des zerborstenen Daches und war kaum noch wiederzuerkennen. Seine Gestalt war übermächtig und sein Gesicht zu einer unmenschlichen Grimasse verzerrt: das wahre Antlitz des Marvashs. Wie ein reißender Fluss durchströmte Adhara seine magische Energie, und der Schmerz überwältigte sie, während die Kräfte bis in die kleinste Faser ihres Körpers vordrangen.
Sie spürte . Dass San seine allumfassende magische Potenz ausschöpfte. Dass Freithar mit ihm und der Sieg des Marvash nahe war. Obwohl der zweite Marvash ihn alleingelassen und einen anderen Weg gewählt hatte, verfügte er noch über eine ungeheure zerstörerische Gewalt. Adhara wusste nicht genau, welche Magie der Marvash da beschwor, doch sie spürte, dass sie Tausende und Abertausende von Leben in den Abgrund des Todes stürzen und die Aufgetauchte Welt danach nie wieder so sein würde wie vorher.
Sie verstand . Dass sie sich ihrer Bestimmung nicht entziehen konnte. Dass der Plan, sich nur auf Amhals Rettung
zu konzentrieren, reiner Wahnsinn war. Dass sie nicht vor diesem Kampf fliehen konnte, in dem sich das Schicksal der Aufgetauchten Welt entscheiden würde.
Und sie beschloss . Dass es noch etwas gab, das sie tun konnte. Und das musste sie wagen.
Sie war erschöpft, kraftlos, doch sie verfügte noch über ihre besondere Waffe, wie auch jede andere Sheireen vor ihr eine besessen hatte, um damit dem Marvash entgegenzutreten.
Noch einmal küsste sie Amhal auf den Mund, ihr letzter Kuss.
Auch er verstand. »Zieh mich hoch«, sagte er zu ihr.
»Nein, bitte …«
»Doch, ich werde bei dir sein.«
Sie blickten sich an, und Adhara tat, was er verlangte, zog ihn hoch und lehnte ihn gegen die Wand, während das Blut immer stärker aus seiner Wunde strömte. Sie schloss die Augen.
»Werden wir es schaffen?«, fragte sie.
»Ja, das werden wir.«
Sie zückte Phenors Dolch und streckte ihn vor sich aus. Amhal nahm ihre Hand zwischen die seinen, und gemeinsam umschlossen ihre Finger fest das Heft der Waffe. Sogleich sprangen die Knospen gierig hervor und verhakten sich im Fleisch ihrer Arme.
Adhara wusste, was zu tun war. Eine jahrtausendealte Geschichte wies ihr den Weg, einen Weg, den sie wiederum Amhal zeigte. Welch eine erhabene Magie: das Böse zu bekehren und ins Gute zu verwandeln, den Marvash seiner Bestimmung zu entreißen und mit ihm seinen Schöpfer zu töten.
Jetzt löste sich eine Lichtkugel von Sans Gestalt, breitete sich rasend schnell aus und walzte nieder, was mit ihr in Berührung kam. Alles in ihrem Lauf verbrannte und verschwand im Nichts.
Doch wenige Sekunden später hielt etwas ihren Vormarsch auf, ein warmes rötliches Licht, das Phenors Dolch abstrahlte und sofort San erfasste und einhüllte. Er flammte auf und zerfiel wie ein trockenes Blatt in einem Feuer. Alles, was er war und wofür er stand, wurde verzehrt von seinem Hass und seiner Verzweiflung. Auch die Lichtkugel, die er hatte entstehen lassen, wurde erfasst und zersprang in eine Myriade winziger goldener Splitter, die langsam zur Erde hinabregneten. Die Kämpfenden in den Straßen sahen zum Himmel, der sich plötzlich glasklar in der eiskalten Luft dieses Wintertages über ihnen spannte.
Dann trat Stille ein, eine tiefe, allumfassende Stille. Langsam schloss sich die aufgerissene Wolkendecke, und es begann wieder sachte zu schneien, so als wäre nichts vorgefallen. Elfen und Menschen schwiegen. Halb Neu-Enawar war durch den Zauber, den San entfesselt hatte, ausgelöscht, dem Erdboden gleichgemacht worden. Doch die andere Hälfte stand noch, und dort schaute man sich fassungslos an. Am Rande des Kraters lag ein schwarzer Dolch, das Heft mit Rosenknospen verziert. Die blitzförmige Gravur längs der Klinge war blutbesudelt.
Epilog
E in weiser Mann schrieb einmal, dass die Aufgetauchte Welt in einem stets gefährdeten Gleichgewicht lebe und dass Krieg und Frieden bis zum Ende aller
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