Die Feuerkämpferin 03 - Im Land der Elfen
Zeiten einander ständig ablösen würden.
Heute frage ich mich, was er nun wohl denken würde, was er sagen würde, wenn er mit angesehen hätte, was ich mit eigenen Augen sah. Es herrscht wieder Friede. Ein schwieriger, labiler Friede, der um den Preis zu vieler Toter erreicht wurde. Dass ich selbst noch lebe, ist ein Wunder. Lange Zeit habe ich es nicht fassen können. Dass Sterben oder Weiterleben von so einer Nichtigkeit abhängen könnte wie der Tatsache, ob man sich ein wenig östlicher oder westlicher in der Stadt aufhielt. Im Westen Tod, im Osten Leben. Wer auf der Flucht nur kurz strauchelte, wer nur einen Augenblick zu lang auf die Katastrophe hinter sich starrte, starb. Wer, ohne sich umzuschauen, weiterlief, wer sich noch auf seine Beine verlassen konnte, überlebte.
Dies alles geschah am Tag des Angriffs auf Neu-Enawar. Ich war weit genug davongelaufen – nachdem ich
den tödlich verwundeten San zurückgelassen hatte –, so dass ich alles mit ansehen konnte, auch das, was den anderen verborgen blieb.
Ich sah die beiden, eingehüllt in klarstes Licht, wunderschön, wie die Helden, von denen ich in Sagenbüchern gelesen hatte. In der Hand hielten sie gemeinsam einen mit Blumenmustern verzierten Dolch, und sie lösten sich in der eiskalten Luft auf, nachdem sie uns alle gerettet hatten. Adhara und Amhal.
Was danach geschah, ist Teil der offiziellen Geschichte.
Nachdem Kryss tot war, ging der Krieg bald zu Ende. Es gab keinen Grund mehr, ihn weiterzuführen. Zwar dürstete der ein oder andere Elf noch nach Rache, doch die meisten waren nur verwirrt und entsetzt von den Ereignissen und wussten nicht, wie ihnen geschah, so als seien sie gerade aus einem Alptraum erwacht. Plötzlich schienen sie sich zu fragen, auf welchen Wahnsinn sie hereingefallen waren, welch absurder Traum sie dazu verleitet hatte, in die Aufgetauchte Welt aufzubrechen und uns den Krieg zu erklären. Auch wir waren mit unseren Kräften am Ende. All die Toten, all die Zerstörung, hatten uns zermürbt.
Ich kann nicht behaupten, dass das Ende schmerzlos war. Es gab noch weiteres Blutvergießen, Gräueltaten: Wehe den Besiegten, heißt es, denn Sieger können äußerst grausam sein. Doch irgendwann war alles ausgestanden, und der Wiederaufbau begann.
Ich rettete Theana. In einem Kerker in Salazar fand ich sie. Sie war schwer gezeichnet, kaum noch sie selbst,
aber immerhin, sie lebte. Ich brachte sie zu meinem Bruder. Die Worte, die sie damals sprach, werde ich niemals vergessen.
»Ich glaube nicht, dass ich weiter im Tempel dienen kann«, sagte sie zu Kalth.
»Und warum nicht?«, fragte ich.
»Weil ich nach all dem, was geschehen ist, den Glauben verloren habe«, erklärte sie lapidar. »Mag sein, dass San nicht erreicht hat, was er sich vorgenommen hatte. Aber dass der Marvash dennoch gesiegt hat, steht fest. Die Aufgetauchte Welt war immer schon das Reich der Marvashs, ein trostloses Gebilde, in dem nur Hass und Tod herrschen, ein gottloser, friedloser Ort. Deswegen ist es nicht schade, wenn sie sich auflöst und verschwindet.«
Da erzählte ich zum ersten Mal von Adhara und Amhal und von dem, was ich gesehen hatte. Bis dahin hatte ich das alles für mich behalten. Warum, weiß ich selbst nicht genau. Vielleicht aus Scham. Ich hatte etwas Großartigem beigewohnt, etwas Unerhörtem, Worte hätten es nur geschmälert. Leid tat mir nur, dass die Menschen um mich herum nicht wussten, wer Adhara wirklich war, und sich an Amhal nur als einen Mann erinnerten, der sie verraten und an Kryss’ Seite gegen sie gekämpft hatte.
Daher erzählte ich alles, und sogar mein Bruder, der immer so sachlich und kühl wirkte, schien ergriffen.
»Da hört Ihr es«, sagte er zu Theana. »Diese Welt ist kein trostloser Ort. Diese beiden, Amhal und Adhara, haben sich geopfert, damit wir leben können.«
Theana schwieg eine Weile und murmelte dann nur:
»So hat sie also doch noch bekommen, wonach sie sich gesehnt hat …« Dazu lächelte sie.
Vielleicht waren es diese Worte, die mich zu meiner Entscheidung veranlassten. Eine Zeit lang tat ich noch weiter bei den Schattenkämpfern meinen Dienst. Kalth stellte sich vor, dass ich einmal Königin würde, so wie unsere Großmutter, von der er, wie ich manchmal denke, zu viel in mir sah. So wie sie sollte ich werden, eine Herrscherin, die ihre Truppen ins Feld führt. Doch ich spürte, dass ich zu etwas anderem bestimmt war.
Als endlich überall Frieden herrschte, legte ich mein Schwert nieder, denn
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