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Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
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bis weit in die Bucht erstrecken. Es ist ein äußerst lebendiger Ort, und aus dieser Entfernung brauche ich ein Weilchen, bis ich das Treiben in meinem Kopf ein wenig sortieren kann. Kaufleute handeln und preisen ihre Waren an. Seeleute entladen und beladen Schiffe. Schreiber erstellen Listen mit Gütern. Alle sind geschäftig, flink und laut. Es ist ein großer Unterschied zu dem leichten Puls von Brisadulce.
    Mein Volk, geht mir durch den Kopf. Ich regiere diese Stadt ebenso wie alle anderen, und dennoch ist es heute das erste Mal, dass ich einen Fuß hineinsetze.
    Die Straße führt im Zickzack die Klippen hinunter, und wir halten uns auf unserem Weg eng an die Mauer. Zwar habe ich noch nie Höhenangst gehabt, aber ich bringe es trotzdem nicht über mich, aus dem Kutschenfenster und den Hang hinunter zur Bucht zu blicken. Stattdessen sehe ich lieber auf der anderen Seite hinaus und erhasche dabei kurz einen Blick auf Holzplattformen, die über unsere Köpfe ragen, auf ausgeklügelte Seilwinden und Flaschenzüge, die genutzt werden, um Güter die Klippen hinauf zu transportieren.
    Als wir unten angekommen sind, hat sich bereits die Nachricht verbreitet, dass sich die Kutsche der Königin nähert, und über die Stadt legt sich ehrfürchtige Stille. Wir haben aus unserer Reise kein Geheimnis gemacht. War das nicht Sinn und Zweck dieser Fahrt? Mich öffentlich von Conde Tristán umwerben zu lassen? Einen entlegenen Teil meines Königreichs zu bereisen, um nach dem zafira zu suchen, ohne unangenehme Fragen beantworten zu müssen? Aber ich merke, wie ich die Zähne zusammenbeiße und wie mein Hals und meine Schultern sich verkrampfen. Alle starren uns auf unserem Weg durch die Stadt an.
    Wir erreichen schließlich ein Gasthaus, das Zum Seemannsknoten heißt. Auf der Veranda versammelt sich eine kleine Menge, um uns zu begrüßen– zweifelsohne der Wirt und seine Bediensteten. Die Leute lächeln und scharren verlegen mit den Füßen, und ich kann ein paar hastig bestickte Flaggen mit meinem königlichen Wappen erkennen. Unser offizieller Zeitplan sieht hier einen Aufenthalt von zwei Tagen vor.
    Aber unser offizieller Zeitplan ist ebenso wie meine Doppelgängerin dazu gedacht, mögliche Attentäter in die Irre zu führen. Ich bin froh. Das Gasthaus wirkt ein wenig heruntergekommen; die Veranda besteht aus schlecht zusammengezimmertem Treibholz, das Gebäude an sich aus Sandsteinmauern, die in unregelmäßigen Abständen Feuchtigkeitsflecken zeigen. Als wir vorbeiziehen, fühle ich mich schäbig, als ich sehe, wie das Strahlen in den Gesichtern der Menschen erlischt und sie uns verwirrt und enttäuscht hinterherblicken.
    Eine Straße weiter biegen wir um eine Ecke und stehen vor unserem eigentlichen Ziel, dem Königskrug. Conde Tristán hat das Gasthaus extra ausgewählt, weil es mit seinen drei Stockwerken recht hoch ist und einen guten Blick auf die Häuser der Umgebung gewährt. Außerdem liegt es etwas abseits der Hauptstraße, und die Eingänge sind von daher nicht so leicht zu beobachten.
    Unsere Karawane biegt langsam in eine Gasse, die zu großen, dunklen Stallungen führt. Hector und ich springen aus der Kutsche– Sturm will bis zum Einbruch der Nacht darin bleiben–, und mein Leibwächter sorgt schnell dafür, den Bereich hinter uns zu sichern, während Tristáns Männer die Pferde ausspannen und mit dem Auspacken beginnen. Als die falsche Elisa aus der Königinnenkutsche steigt, ertönen laute Begrüßungsrufe der wenigen hartnäckigen Seelen, die uns hierher gefolgt sind. » Königin Elisa!«, schreit jemand. » Euer Majestät!«, ein anderer. Jemand schubst meinen Wächter beiseite, um besser sehen zu können, aber meine Männer halten die Reihen geschlossen.
    Die falsche Elisa reagiert kaum, sieht man davon ab, dass sie den Schleier krampfhaft an ihrer Kehle zusammenzieht. Begleitet von meinen Zofen, führen Belén und Alentín sie durch die Stallungen und bringen sie durch den Hintereingang ins Gasthaus.
    Ich werfe mir meinen Rucksack über die Schulter und trage dann noch einen Koffer aus der Königinnenkutsche, so wie es eine echte Dienstmagd täte. Dann folge ich meiner Doppelgängerin ins Gasthaus und fühle mich irgendwie unwohl dabei, mein Volk draußen stehen zu lassen, unbeachtet und ignoriert. » Ich werde es wiedergutmachen«, flüstere ich. Eines Tages, wenn ich wiederkommen kann und ich selbst sein darf.
    Der Wirt, ein knorriger Mann mit Glatze und nervösem Lächeln, ist über die Maßen

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