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Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
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Sein Rücken ist breit und muskulös, seine Taille schmal. Seine sonnengebräunte Haut schimmert leicht, und obwohl das Lager nur spärlich beleuchtet ist, kann ich seine Narben erkennen, und er hat eine ganze Menge. Die meisten sind dünne, weiße Linien, aber eine ist größer und gezackt und verläuft diagonal über die untere Hälfte seines Rückens. Ich spüre ein überwältigendes Bedürfnis, mit den Fingern der Länge nach darüberzustreifen.
    Stattdessen lege ich meine Fingerspitzen auf meine eigene alte Wunde, links vom Feuerstein. Wir beide tragen unsere Narben. Wie er wohl seine bekommen hat? Mehr als alles andere würde ich das gern erfahren. Ich will, dass er diesen Teil seines Ichs mit mir teilt. Ich will…
    Ximenas Finger umschließen mein Kinn. Sie zwingt mich, ihr in die Augen zu sehen, und betrachtet mich lange mit strenger Miene. » Königin zu sein, das ist eine schwere Bürde«, sagt sie.
    Blinzelnd sehe ich zu ihr auf. Sie warnt mich. Sie hat ihn schließlich für Alodia ausersehen. Und sie hat recht. Es wäre eine kluge Verbindung.
    Aber der bloße Gedanke schmerzt in meiner Brust, hinterlässt ein leeres, nagendes Gefühl.
    Da ich meiner Stimme nicht traue, nicke ich nur. Sie küsst meine Stirn und geht dann, um sich um die falsche Königin zu kümmern.
    Ich versuche, Hector nicht weiter anzusehen, sondern schlüpfe in mein Zelt und lege mich auf meine Decken, den Kopf gleich bei der Tür. So liege ich lange Zeit und lausche seinen Atemzügen.
    Nach einigen Minuten oder vielleicht auch einer Stunde hebe ich den Kopf und flüstere: » Hector?«
    » Ja?«, flüstert er zurück.
    Sein Gesicht ist so nahe. Nur eine Atemlänge entfernt. Ich schlucke. » Meine Schwester. Alodia. Sie hat…« Oh Gott, es ist so schwer, es auszusprechen, aber ich kann es nicht ertragen, eine so große Sache einfach immer nur weiter wegzuschieben. Also hole ich tief Luft und versuche es noch einmal. » Meine Schwester hat Erkundigungen über Euch eingezogen. Hinsichtlich einer möglichen Heirat.«
    Eine lange Pause. Dann: » Nun, das würde erklären, wieso sie einen Briefwechsel mit mir begonnen hat.«
    » Oh.« Ein Schmerz, bohrend und heftig, drückt mir die Brust zusammen. Alodia hat also schon erste Schritte unternommen, noch bevor sie an mich geschrieben hat.
    » Sie ist wie Ihr, wisst Ihr«, sagt er. » Intelligent. Schön. Aber…«
    » Und werdet Ihr… ich meine, zieht Ihr in Erwägung…« Ich kann den Satz nicht beenden. Ich weiß nicht, ob ich es wirklich wissen will.
    Er atmet stoßweise aus. Dann sagt er: » Ich werde tun, was immer meine Königin verlangt.«
    Natürlich wird er das.
    Ein unbestimmtes Gefühl überwältigt mich, vielleicht Verzweiflung, und bevor es mir selbst klar wird, schiebe ich meine Hand unter der Zelttür durch. Meine Finger finden sein Handgelenk. Es bewegt sich, und plötzlich liegt meine Hand fest in seiner, die viel größer ist als meine. Da ist etwas an seiner sanften Stärke, das mir die Tränen in die Augen treibt.
    Es liegt mir auf der Zunge, ihm zu offenbaren, dass ich ihn liebe. Stattdessen sage ich mit schwankender Stimme: » Ich habe Alodia gesagt, Ihr seid der beste Mann, den ich kenne.«
    Er drückt meine Hand. » Danke«, flüstert er.
    So schlafe ich ein, meine Finger verwoben mit Hectors. Belén kommt in dieser Nacht nicht zu mir. Oder wenn doch, dann beschließt er, uns nicht zu stören.
    Zwei Tage später weicht die Wüste den sanft geschwungenen Hügeln der Küste. Nach Osten erstreckt sich Sand, so weit das Auge reicht, aber die Hügel am Meer markieren den Anfang der südlichen Besitzungen, jenem Teil meines Königreichs, in dem am ehesten ein gemäßigtes Klima herrscht. Während unseres Aufstiegs geht das Land neben der Straße von Sand zu fester, harter Erde über, die mit trockenem Gras und gelegentlich auch Büschen bewachsen ist.
    Am Tag darauf kommen wir nach Puerto Verde. Als wir einen Hügelkamm erreichen, liegt es vor uns, eine tiefe, halbrunde Bucht von dunklem Türkis, hineingeschnitten in die Klippen, die den Hafen vor schwerem Wellengang schützen. Frachtschiffe liegen wie Tupfen auf dem Wasser; bei zwanzig höre ich auf zu zählen. Kleinere Boote gibt es sogar noch mehr, hauptsächlich Dingis und Fischerkähne, aber auch einige flache Vergnügungsbarken.
    An die Klippen schmiegt sich eine Stadt mittlerer Größe, die mit Pfahlbauten und Hafenanlagen bis ins Wasser hineingewachsen ist. Überall scheinen Kais zu sein, die sich wie krumme Finger

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