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Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
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werden.
    Hectors Hand gleitet unter meine durchnässte Bluse, seine Finger streichen über meine Haut, finden den Feuerstein. Er drückt ihn sanft, und ich umschließe seine Hand mit meiner. » Die Gottesstreiterin schwanke und wanke nicht«, sagt er mir ins Ohr. » So sie auch die Schatten der Dunkelheit durchschreiten mag, sie fürchte sich nicht, denn Gottes rechtschaffene rechte Hand wird sie erhalten und ihr neues, alles überstrahlendes Leben schenken.«
    Die Wärme in mir wird zu einem Inferno. Mein Körper siedet vor Hitze, vor Begehren, vor Verzweiflung. Der Feuerstein ist voll davon, pulsiert vor ungenutzter Kraft. Gott, ich will leben. Ich will, dass wir alle überleben. Was soll ich tun? Wieso hast du uns hierhergeführt?
    Noch ein Krachen, und ein Segel zerreißt. Das Schiff beginnt sich zu drehen.
    Und dann spüre ich es. Kleine Ranken, die in mich hineinfassen. Ich kann sie nicht sehen, aber ich fühle sie, wie Irrlichter auf dem Wind, der jetzt aus allen Richtungen kommt. Ich kenne sie gut, denn ich habe mein ganzes Leben mit ihnen verbracht.
    Gebete.
    Jeder auf dem Schiff betet jetzt, dessen bin ich mir sicher. Und ihre zerborstenen, verzweifelten Gedanken strömen auf mich zu und füttern meinen Stein mit noch mehr Kraft.
    Der Hurrikan bohrt sich seitwärts in den Schiffsbug. Planken und Splitter fliegen überall durch die Luft.
    Hectors Gebet kommt ins Stocken. Sein Griff um meinen Körper wird kurz starr, bevor er sich wieder verstärkt und mich noch heftiger an sich zieht als zuvor. Dann spüre ich seine kalten, nassen Lippen an meiner Wange, ganz nahe bei meinem Ohrläppchen.
    Er sagt: » Ich liebe dich, Elisa.«
    In mir zerbricht etwas. Für einen winzigen Augenblick geht ein Blitz durch die Welt, heller als Tageslicht– Schiffstrümmer fliegen durch die Luft, und dahinter baut sich die höchste Welle auf, die ich je gesehen habe, gemein und pechschwarz, und dann ist da nichts mehr, nur Dunkelheit und Ruhe und eine Stille wie der Tod.
    Ich kann nichts sehen. Ich spüre meine Glieder nicht. Ich kann nichts hören. Es ist, als habe ich aufgehört zu sein, abgesehen von meinen Gedanken, die wie in einer großen Leere zu existieren scheinen.
    Und dann ist da ein Herzschlag, wahrhaftig und gleichmäßig. Nein, es sind zwei, meiner und Hectors, die beinahe im Gleichtakt pulsieren.
    Und dann ist da nichts mehr.

25

    I ch liege auf der Seite, meine Wange gegen die Planken gedrückt. Hectors Körper hat sich beschützend um meinen geschlungen.
    Alles ist still und hell, so hell, dass ich blinzeln muss, weil es in den Augen so weh tut. Eine sanfte Brise liebkost mein Gesicht und bringt einen Hauch von Hibiskus mit. Eine Möwe schreit, ein gleitendes Geräusch, das aus der Tiefe in die Höhe steigt.
    Eine Möwe!
    Mit einem Keuchen setze ich mich auf.
    Überall um mich herum liegen Seeleute. Erst habe ich Angst, sie könnten tot sein, aber dann erhascht mein Auge eine Bewegung am Steuerrad. Es ist Felix. Sein üppiger Bart zuckt, als er etwas brummt und sich wie nach einem Sturz wieder aufrappelt. Nun regen sich auch andere Männer in meiner Nähe.
    Sie leben. Wir alle sind noch am Leben.
    Ich sehe zu Hector hinab. Im Schlaf sehen seine Züge viel weicher aus. Er wirkt so friedlich. So jung. Bevor ich merke, was ich da tue, streiche ich mit den Fingerspitzen über seine Augenbrauen, dann seine Wange hinunter bis zum Schatten seines Kiefers, wo sich ein Tropfen Blut gesammelt hat. Ein Splitter hat ihn verursacht, der sich wohl in seine Haut gebohrt hat, als der Hurrikan uns traf.
    Beunruhigt beuge ich mich ein wenig tiefer, um mich zu versichern, dass er noch atmet. Wo ein Splitter ist, könnten weitere sein. Es könnte sich eine ganze Planke in ihn…
    Seine Augenlider flattern.
    » Hector?«
    Als er mich sieht, erschauert er vor Erleichterung. » Wir leben«, haucht er.
    » Das hatte ich dir schließlich auch befohlen.«
    Er setzt sich auf und sieht sich um. » Wie ist das möglich?«
    » Ich habe keine Ahnung. Es hat wohl etwas mit den Gebeten von uns allen zu tun, die irgendwie von meinem Feuerstein gebündelt wurden. Lieg still. Ich muss das hier herausziehen.« Mit einer Hand halte ich sein Kinn fest, mit der anderen fasse ich nach dem Splitter. Er ragt gerade weit genug heraus, dass ich ihn mit den Nägeln fassen kann. Ich ziehe sanft, aber bestimmt, und bemühe mich dabei, den richtigen Winkel zu beachten.
    Er sieht mich an, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Der Splitter ist größer, als ich

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