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Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
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ringe mit mir, ob es weise ist, ihm zu folgen. Dann lege ich die Fingerspitzen auf meinen Feuerstein und bitte in einem geflüsterten Gebet um Sicherheit. Er verbrennt mir fast die Finger mit der plötzlich aufflackernden Hitze, und das Gefühl von Macht, das mich durchdringt, lässt einen tiefen Seufzer aus meiner Brust aufsteigen.
    So viel Macht! Deswegen bin ich aber ja auch hierhergekommen. Ich hole tief Luft und betrete den verfallenen Turm.
    Meine Augen gewöhnen sich schnell an die Düsternis. Eine Wendeltreppe führt in die Tiefe. Es riecht nach feuchter Erde und Schimmel. Nach ein paar Biegungen und Windungen beginnt es rund um uns herum leicht zu glimmen, ein bläulicher Schimmer wie von Nachtblühern. Das Leuchten wird stärker, je tiefer wir kommen, bis die farblosen Wände diese Färbung angenommen haben, bis meine Haut darin gebadet wird. Mein Feuerstein vibriert leicht, als wollte er einen Geliebten umschmeicheln.
    Als die Treppe in einer riesigen Höhle endet, falle ich auf die Knie, starr vor Staunen.
    Die Wände sind mit Feuersteinen bedeckt. Mit Tausenden von Feuersteinen. Zehntausenden. Ein Fluss strömt vor der gegenüberliegenden Höhlenwand vorbei, aber er besteht nicht aus Wasser. Es ist ein langsam dahinfließender Strom aus Licht und Nebel und Macht, blau schimmernd und so wenig greifbar wie eine Wolke. Das Licht wird von den Feuersteinwänden zurückgeworfen, sodass die ganze Höhle von saphirfarbenen Funken erfüllt scheint.
    Mein eigener Feuerstein singt zur Begrüßung. Ein Finger des schimmernden Nebels kriecht aus dem Fluss, gleitet über den feuchten Boden wie ein suchender Tentakel, schlingt sich um mein Knie und klettert hoch zu dem Stein, drückt ihn leicht.
    Ein Klick ist zu hören, als ob Steinchen eines Mosaiks an der richtigen Stelle einrasten. Die Energie in mir flackert freudig auf, und plötzlich fühle ich mich verbunden mit der ganzen Welt, während mir das zafira Leben und Energie durch den Siphon meines Feuersteins einflößt. In meinem Kopf dreht sich alles, und Glück und Entsetzen kämpfen in mir um die Vorherrschaft.
    » Oh, es liebt Euch, ja, das tut es«, murmelt Blatt. » Habt Ihr dann also schon die Erde mit einem Tropfen Blut getränkt, ja?«
    » Ich… ja. Auf dem Weg ins Tal. Ich fand einen Sakramentsrosenbusch, und ich habe gebetet um…« Macht. Ich habe um Macht gebetet. Und hier bin ich nun, verbunden mit der Quelle aller Magie, aber ich fühle mich meinem Ziel nicht näher als zuvor. Mein Körper vibriert vor Kraft, sicher, als ob ich alles tun könnte, was ich wollte. Ich könnte Tausende von Menschen heilen. Einen Hurrikan besänftigen. Aber kann ich diese Macht mit mir nehmen, damit sie mir dabei hilft, mein Königreich zu regieren? Oder funktioniert sie nur hier, in dieser Höhle?
    Sturm sieht die Wände an, den Mund halb offen. » Es ist ein Grab«, staunt er. » Eine Katakombe der Animagi.«
    » Oh ja«, sagt Blatt. » Sie kamen früher hierher, um den Tod zu finden. Oder, wenn sie zu früh starben, dann ließen sie ihre Körper hierherbringen. Aber nur ihre Steine bleiben übrig. Schon seit sehr langer Zeit ist niemand mehr zum Sterben hierhergekommen. Bis jetzt!« Er klatscht in die Hände und zeigt seine verfaulenden Zähne.
    Angst durchzuckt mich. Ich springe auf, sehe zum Durchgang, der zur Treppe führt, und frage mich, ob Sturm und ich schneller wären als Blatt, wenn es darauf ankäme. Aber nein, ich werde nicht fliehen. Das kann ich nicht. » Wir sind hierhergekommen, um alles über das zafira zu erfahren«, sage ich mit fester Stimme. » Nicht, um zu sterben.«
    » Oh, niemandem macht es etwas aus, tot zu sein!«, versichert er uns. » Aber manche Leute stört es zu leben. Mich zum Beispiel. Ich habe viel zu lange gelebt.« Er rasselt mit seinen Ketten, die jetzt zusammengerollt wie eine Schlange zu seinen Füßen liegen. Das andere Ende verschwindet am Ufer des Stroms in dem endlosen Blau. » Einer von Euch wird meinen Platz als Torwächter des zafira einnehmen, als lebendiges Opfer. Gott ist so gütig, er gibt mir zwei zur Auswahl!«
    Das Staunen auf Sturms Gesicht weicht tiefer Unruhe.
    » Einer von Euch, falls Ihr überlebt, wird als wahrer Hexenmeister hier herausgehen«, erklärt Blatt, » da er die Pilgerreise hinter sich gebracht und vom zafira gekostet hat. Aber oh, es ist ja so launisch. Es macht immer wieder Spaß, darauf zu tippen, ob jemand leben oder sterben wird. Ich habe nur einige Male richtig gelegen. Aber der andere…«

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