Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Richtungen zwischen den Bergspitzen, über dem Tal, und kommen an einem zentralen Punkt zusammen, wo sie in den Boden gesaugt werden.
Ich blinzele, und die Vision ist verschwunden, lässt mich atemlos, verwirrt und verängstigt zurück.
» Was ist gerade geschehen?«, drängt mich Sturm. » Ihr habt die Erde mit Eurem Blut getränkt. Ich habe gefühlt, wie sie sich bewegte.«
» Ich bin mir nicht sicher. Ich habe etwas Seltsames gesehen. Kraftlinien. Aber jetzt sind sie weg.«
Er sieht mich misstrauisch an. » Gehen wir. Ich werde ungeduldig.«
Es dauert nicht lange, bis wir den Grund des Tals erreichen, und das ist auch gut so, denn meine Beine zittern bereits vor Erschöpfung. Hier unten wachsen keine Palmen, nur wuchernde Zypressen und hoch aufragende Eukalyptusbäume, aber auch andere Baumarten, die ich noch nie zuvor gesehen habe, mit so breiten Blättern, dass ein einziges davon meinen ganzen Körper bedecken könnte. Vögel hüpfen über die Zweige, Lichtflecken fallen auf ihr Gefieder und brechen sich in prismatischen Facetten. Es wirkt so überwältigend eigentümlich, dass ich näher hinsehe.
Nein, es sind keine Vögel. Es sind riesige Insekten, groß wie Adler, mit flaumig weißen Bäuchen und Flügeln wie aus Spinnweben.
Unbehagen steigt in meiner Brust auf. Dieses Tal hat etwas Falsches an sich. Es ist fremd. Andersartig.
Und es ist irgendetwas an ihm, das zur Ruhe mahnt. Wir bewegen uns ganz leise, wie in erwartungsvollem oder vielleicht auch ehrfurchtsvollem Schweigen. Der Waldboden ist mit zahllosen Steinen bedeckt, die wie verfallene Altäre unter den Bäumen liegen, manche so groß wie ich und mit grünen Flechten und Staub bedeckt. Eine Zypresse klammert sich hartnäckig an die Seite eines solchen Felsens und hat mit den Wurzeln Risse in den Stein gesprengt.
Hinter der nächsten Biegung wartet wieder ein Steinhaufen, aber dieser ist so hoch wie ein Baum und viereckig, und er zeigt einige fensterartige, geschwungene Öffnungen. Ein verfallenes Gebäude. Ehrfürchtig sehe ich nun zu den anderen Geröllfeldern hinüber. Es sind Ruinen. Hier stand einmal eine Stadt aus Stein, die von Sonne und Wind und Baumwurzeln und dem Zahn der Zeit zu Schutt zermahlen wurde.
» Das muss hier alles Jahrhunderte alt sein«, hauche ich.
» Mehrere Jahrtausende«, sagt Sturm, und in seiner Stimme liegt eine stille Trauer, wie ich sie bei ihm noch nie zuvor gehört habe.
Ich werfe ihm einen scharfen Blick zu. » Das ist nicht möglich. Gott brachte die Menschen in diese Welt…«
» Ja, ja, er rettete euch aus der sterbenden Welt mit seiner rechtschaffenen rechten Hand vor nicht einmal zweitausend Jahren. Ich habe Euch diese Geschichte erzählen hören.« In seinen Worten schwingt deutlich erkennbar unterdrückter Zorn mit. » Kleine Königin, begreift Ihr denn nicht? Wir Inviernos waren schon immer hier.«
Nun starre ich ihn mit offenem Mund an, obwohl die Richtigkeit dessen, was er da sagt, in meinem Innern schon einen Funken schlägt. Hinter ihm flattert einer der Insektenvögel durch die Zweige eines Eukalyptusbaums, hockt sich auf die Spitze des verfallenen Hauses und beginnt seinen in allen Regenbogenfarben schillernden Flügel mit einem dünnen schwarzen Bein zu putzen.
» Euer Volk kam hierher und brachte eine Zauberkunst mit sich, wie wir sie nicht kannten«, fährt Sturm fort. » Diese Menschen veränderten uns, ließen uns geringer werden, als wir einst waren. Aber auch sie änderten sich, heißt es in den Legenden, aber ich weiß nicht wie oder warum. Sie verteilten sich über das Land, das man jetzt Joya d’Arena nennt, und wir flohen vor ihnen in die Berge. Danach änderten sie die ganze Welt. Euer Land war nicht von Anfang an eine Wüste, müsst Ihr wissen.«
Ich schüttele den Kopf, eher vor Unbehagen als vor Unglauben. Wenn das, was er sagt, der Wahrheit entspricht, dann waren meine Vorfahren Eindringlinge. Nein, Diebe. Aber man kann doch sicher kein Dieb sein, wenn man nur das nimmt, was Gott einem gibt? Gott hat uns diese Welt angeboten. Das steht so überall in den Schriften.
Mein alter Tutor hat mir gesagt, dass unsere große Wüste einst ein Binnenmeer war, bevor sich eine mysteriöse Naturkatastrophe ereignete und das Wasser tief ins Erdreich zog. Also stimmt es vielleicht zum Teil, was Sturm da sagt. Vielleicht haben wir diese Wüste irgendwie geschaffen. Aber wie? » Das ergibt keinen Sinn«, sage ich laut. » Gott würde nicht…«
Mein Feuerstein macht einen Satz, und das
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