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Die Feuertaufe

Die Feuertaufe

Titel: Die Feuertaufe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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die Entscheidung traf, daß es tatsächlich nötig war.« Er zog eine schmale goldene Uhr aus der Hosentasche. »Gehen Sie in Ihr Logis im Orlopdeck und bringen Sie sich in Ordnung. Ich wünsche, daß Sie in zehn Minuten wieder achtern sind.« Er ließ die Uhr zuschnappen.
    »In genau zehn Minuten.«
    Es wurden die kürzesten zehn Minuten, an die sich Bolitho erinnern konnte. Starr und Midshipman Dancer halfen ihm; der Pechvogel Eden, dem ausgerechnet in diesem Moment wieder schlecht wurde, lief ihm ständig zwischen die Beine; aber schließlich war er wieder auf dem Weg nach achtern und stand bald vor demselben Posten. In der Kajüte jedoch drängten sich bereits die Besucher: Leutnants mit Fragen und Meldungen über Sturmschäden. Der Steuermann, der, soweit Bolitho verstand, entweder für oder gegen die eventuelle Beförderung einer seiner Maate war. Major Dewar von der Marine- Infanterie, mit Kinnbacken so scharlachrot wie seine Uniform. Und sogar der Schiffs-Zahlmeister, ein richtiges Wiesel von einem Mann. Sie alle sprachen beim Kapitän vor. Und das schon kurz nach Sonnenaufgang.
    Ohne weitere Umstände wies der Schreiber Bolitho an einen kleinen Tisch bei den Heckfenstern, an die Spritzwasser und Regen klatschten. Draußen, hinter den dicken Glasscheiben, rollte die dunkelgraue See, und jede Woge hatte einen langen Schaumstreifen auf ihrem Kamm. Ein Schwarm Möwen umkreiste in lebhaftem Auf und Ab den hohen Achtersteven der Gorgon ; offenbar warteten sie darauf, daß der Koch etwas Eßbares aus dem Fenster warf. Bolitho spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Da würden sie kein Glück haben, dachte er. Der Koch und der geizige Zahlmeister beide würden kaum einen Krümel für die Möwen übriglassen.
    Er hörte, daß der Kapitän mit Laidlaw, dem Schiffsarzt, das Frischwasserproblem erörterte, und speziell die Frage, ob die leeren Fässer gespült werden sollten, um sie zu desinfizieren.
    Der Schiffsarzt war ein müde aussehender Mann mit tiefliegenden, von starken Brauen überhangenen Augen, der sich ständig etwas gebeugt hielt. Ob das daher kam, daß er zu lange auf kleinen Schiffen gefahren war, oder weil er sich dauernd über seine unglücklichen Opfer beugen mußte darüber konnte Bolitho nur Vermutungen anstellen.
    Er sagte eben: »Es ist ein übler Küstens trich, Sir.« Und der Kapitän erwiderte scharf: »Das weiß ich, verdammt noch mal. Aber schließlich segle ich das Schiff und seine ganze Mannschaft nicht deswegen nach Westafrika, weil ich ausprobieren will, wie gut Sie Krankheiten heilen können.«
    Der Schreiber beugte sich über den kleinen Tisch. Er hatte einen muffigen Geruch an sich, wie ungewaschenes Bettzeug.
    »Sie können mit diesen Befehlen anfangen«, sagte er mürrisch, »je fünf Abschriften, sauber und lesbar, ordentlich geschrieben, oder Sie kriegen Ärger mit dem Kapitän.«
    Bolitho wartete, bis Scroggs davongeschlurft war, und horchte dann zu der kleinen Gruppe hinüber, die beim Kapitän stand. Während er sich vorhin in aller Eile das frische Hemd übergestreift hatte, war ihm klargeworden, daß sich die Ehrfurcht, die er bei der ersten Begegnung mit dem Kapitän empfunden hatte, in Groll verwandelte. Conway hatte die Begründung für seinen unvorschriftsmäßigen Anzug als unwichtig, sogar als banal abgetan. Statt dessen hatte er seine eigene Person als Vorbild hingestellt – der untadelige Kapitän, immer im Dienst, niemals müde, der für jedes Problem auf Anhieb eine Lösung bei der Hand hatte.
    Aber jetzt, da er die ruhige, gemächliche Stimme hörte, mit der der Kapitän so ganz nebenbei erwähnte, daß einige viertausend Meilen zu segeln waren, wie er Angaben über den zweckmäßigsten Kurs machte und Anordnungen über Verpflegung, Frischwasser und, was das Wichtigste zu sein schien, über die Ausbildung der Mannschaft traf – da konnte er nur staunen.
    In dieser Kajüte, die ihm ein paar Minuten lang wie der Gipfel allen Luxus vorgekommen war, schlug der Kapitän seine eigenen, privaten Schlachten. Er konnte seine Sorgen, seine Verantwortung mit niemandem teilen. Ein Schauer überlief Bolitho. Für einen Mann, der auch nur eine Sekunde an sich selbst zweifelte, konnte diese große Kajüte sehr leicht zum Gefängnis werden.
    Er erinnerte sich an seine Kindheit. Manchmal, wenn das Schiff seines Vaters – was freilich sehr selten und nur unter günstigen Umständen vorkam – in Falmouth vor Anker lag, hatte er seinen Vater dort besuchen dürfen. Wie anders war

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