Die Feuertaufe
ausgesprochen ruhig. Neben der Tür, unter dem Lichtstrahl der Deckenlaterne, stand steif und starr ein Seesoldat Wache und blickte Bolitho dienstlich kalt entgegen. Dann rief er laut: »Signal-Midshipman, Sir!« und gab seiner Meldung weiteren Nachdruck, indem er mit seiner Muskete kräftig aufs Deck stampfte.
Die Tür ging auf, und Bolitho erblickte den Kapitänssteward, der ihm heftig winkte und die Tür gerade so weit offenhielt, daß er eintreten konnte. Genau wie der Lakai in einem vornehmen Haus, der nicht recht weiß, ob der Besucher willkommen ist oder nicht, dachte Bolitho.
»Wenn Sie hier warten wollen – Sir.« Aber vor dem »Sir«
hatte er eine kleine Pause eingeschaltet.
Bolitho wartete. Es war eine elegante Diele, die zum Speiseraum des Kapitäns führte und die ganze Breite des Schiffsrumpfes einnahm. Gläser und Geschirr klirrten in einem geräumigen Mahagonischrank, und über der langen polierten Tafel schwang gleichmäßig, die Bewegungen des Schiffes auffangend, ein rundes Tablett mit Gläsern und Karaffen. Auf den Decksplanken lag ein Teppich mit einem sauberen Muster aus schwarzen und weißen Karos, und die Neunpfünderkanonen an den beiden Schmalseiten waren züchtig mit buntem Chintz verdeckt. In der nächsten Zwischenwand öffnete sich eine Tür, und der Steward sagte: »Hier herein, bitte, Sir.« Er blickte Bolitho beinahe verzweifelt entgegen.
Die Kapitänskajüte. Bolitho stand im Türrahmen, den Dreispitz unter den Arm geklemmt, und staunte. Wieviel Platz der Kapitän hatte! Die Kajüte war hochelegant: über die hohen Fenster im Heck des Schiffes zogen sich lange Streifen von Salz und getrocknetem Schaum, so daß sie in dem grauen Frühlicht fast wie Kathedralenfenster wirkten und den Raum noch größer erscheinen ließen.
Kapitän Beves Conway saß an einem großen Schreibtisch und blätterte gemächlich in einem Bündel Papiere. Ein Becher mit einem heißen Getränk dampfte neben seinem Ellenbogen, und im Schein der schwingenden Lampe sah Bolitho, daß er bereits korrekt angekleidet war: sauberes weißes Hemd, Kniehose; und sein blauer Uniformrock mit den weißen Aufschlägen lag sauber gefaltet auf einer Sitzbank, Dreispitz und Bootsmantel daneben. Nichts in der Erscheinung oder im Gesicht dieses Mannes deutete darauf hin, daß er eben von Deck kam, wo ein bitterkalter Wind wehte.
Er blickte auf und musterte Bolitho mit ausdrucklosem Gesicht.
»Name?«
»Bolitho, Sir.« In der geräumigen Kajüte kam ihm der Klang seiner eigenen Stimme ganz fremd vor.
»Gut.«
Der Kapitän wandte sich halb zu seinem Schreiber um, der durch eine andere kleine Tür eintrat. Im Licht der Lampe und in den schrägen Strahlen von den Kajütfenstern her fiel Bolitho auf, wieviel Wachsamkeit und Intelligenz aus Conways Profil sprach; doch seine Augen waren hart und verrieten nichts.
Er sprach kurz, abgehackt, dienstlich zu Scroggs, aber Bolitho konnte nur raten, worum es sich handelte.
Er blickte zur Seite und sah sich zum erstenmal in einem langen, goldgerahmten Spiegel. Kein Wunder, daß der Kajütsteward ein so besorgtes Gesicht gemacht hatte.
Richard Bolitho war groß für sein Alter und schlank. Sein Haar war so schwarz, daß sein wettergebräuntes Gesicht fast bleich dagegen wirkte. In seinem Peajacket, das er sich vor achtzehn Monaten gekauft und seitdem bei jedem Wetter getragen hatte, glich er mehr einem Vagabunden als einem Offizier des Königs. Er fuhr zusammen, als er plötzlich gewahr wurde, daß der Kapitän zu ihm sprach.
»Also, Mr. Midshipman, äh, Bolitho, auf Grund unvorhergesehener Umstände muß ich mich anscheinend auf Ihre Fähigkeiten bei der Unterstützung meines Schreibers verlassen, bis Mr. Marrack sich von seiner, äh, Verletzung erholt hat.« Er musterte Bolitho gleichmütig. »Was für Dienst tun Sie auf meinem Schiff?«
»Unteres Geschützdeck, Sir, und Segelausbildung in Mr. Hopes Abteilung.«
»Weder das eine noch das andere erfordern, daß Sie wie ein Dandy aussehen, Mr., äh, Bolitho; aber an Bord meines Schiffes haben alle Offiziere ein untadeliges Beispiel zu geben; und wohin dieses Schiff Sie auch trägt, Sie repräsentieren nicht nur die Königliche Marine, sondern Sie sin d die Königliche Marine!«
»Ich verstehe, Sir«, setzte Bolitho an. »Wir waren in den Rahen zum Segelbergen, Sir, und . . .«
»Ja.« Über das Gesicht des Kapitäns flog der Schatten eines bitteren Lächelns. »Das habe ich befohlen. Ich war mehrere Stunden an Deck, bevor ich
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