Die Feuertaufe
Beves Conway, zum Dienst zu melden. Das Schiff wurde zur Zeit neu ausgerüstet.
Seine Mutter hatte versucht, ihren Kummer zu verbergen. Seine Schwestern reagierten mit Lachen und Weinen wie es ihnen gerade in den Sinn kam.
Auf dem Weg zur Haltestelle der Postkutsche hatten ihm die Landarbeiter, an denen er vorbeikam, grüßend zugenickt. Aber zu wundern schienen sie sich nicht. Seit vielen, vielen Jahren ging immer wieder ein Bolitho aus dem Haus und an Bord dieses oder jenes Schiffes. Und mancher war nie zurückgekehrt.
Jetzt fing das alles für Richard Bolitho zum zweitenmal an. Er hatte sich geschworen, daß er gewisse Fehler nicht mehr machen würde, daß er gewisse Dinge, die er gelernt hatte und die wichtiger waren als alles andere, nie vergessen würde. Ein Midshipman war weder Fisch noch Fleisch. Er stand zwischen den Leutnants und dem eigentlichen Rückgrat der Besatzung, den Deckoffizieren 5 . An einem Ende des Schiffes, unnahbar und fern, gottähnlich, logierte der Kapitän. Mitten im ständigen Strom hin- und hereilender Mannschaften lag das enge, vollgestopfte Midshipmen-Logis. Die Mannschaft – Matrosen und Seesoldaten, Freiwillige und Gepreßte waren zwischen die Decks gepfercht und doch zu jeder Zeit durch Rang und Dienstalter voneinander getrennt. Harte Disziplinarstrafen bildeten eher die Regel als die Ausnahme; der Dienst am Schiff bei jedem Wetter war gefährlich und forderte manches Menschenleben – das war selbstverständlich, man sprach nicht darüber.
Wenn die Landratten ein Schiff des Königs sahen, das von der Küste ablegte, alle Rahen frisch getakelt und von Matrosen wimmelnd, wenn sie das Krachen der Salutgeschütze hörten, dazu die lustigen Stimmen der Männer am Ankerspill, die einen alterprobten Shanty sangen, dann hatten sie keine Ahnung von jener anderen Welt tief unten im Schiffsraum. Und das war wahrscheinlich auch ganz gut so.
»Ist der Platz frei?«
Bolitho fuhr aus seinen Gedanken auf und blickte hoch. Ein Midshipman, blond und blauäugig, lächelte ihn an.
»Martyn Dancer«, fuhr der Neuankömmling fort. »Ich gehe an Bord der Gorgon . Der Wirt sagt, Sie sind vom selben Schiff.«
Bolitho stellte sich vor und rutschte auf der Bank ein Stück weiter, um Dancer Platz zu machen.
»Doch nicht Ihr erstes Schiff?«
Dancer lächelte trübe. »Beinahe. Ich war auf dem Flaggschiff, bis es ins Dock mußte. Meine Seedienstzeit beläuft sich auf drei Monate und zwei Tage.« Er bemerkte Bolithos überraschte Miene. »Ich habe spät angefangen. Mein Vater wollte mich nicht zur See gehen lassen.« Er zuckte die Achseln. »Aber schließlich habe ich doch meinen Willen durchgesetzt.«
Der junge Mann gefiel Bolitho. Gewiß, Dancer hatte seine Laufbahn spät begonnen. Er war ungefähr so alt wie Bolitho, und seine ruhige, kultivierte Stimme ließ darauf schließen, daß er aus einer guten Familie kam. Und sicherlich aus der Stadt.
Dancer sagte eben: »Ich habe gehört, daß wir nach Westafrika segeln. Aber. . .« Bolitho grinste.
»Das ist nur ein Gerücht unter anderen. Aber es wäre immerhin besser, als bei der Kanalflotte zu sein und ständig im Ärmelkanal hin und her zu rutschen.«
Dancer verzog das Gesicht. »Der Siebenjährige Krieg ist jetzt seit neun Jahren vorbei. Ich hätte doch gedacht, die Franzosen würden uns wieder auf den Leib rücken, und sei es nur, um ihre kanadischen Besitzungen wiederzukriegen.«
Bolitho wandte sich um und sah zwei invalide Matrosen auf den Wirt zugehen. Der beaufsichtigte gerade ein Küchenmädchen, das Suppe in Zinnschüsseln abfüllte.
Kein richtiger Krieg seit neun Jahren, das stimmte schon. Und doch gab es überall auf der Welt genug andere Konflikte, die nie abrissen: Aufstände und Piraterie; Kolonien, die gegen ihre neuen Herren revoltierten – solche Aktionen kosteten ebenso viele Opfer wie jede Seeschlacht.
»Schert euch weg!« sagte der Wirt grob. »Ich will hier keine Bettler.«
Der eine Matrose, dessen rechter Arm dicht unter der Schulter amputiert war, erwiderte ärgerlich: »Ich bin kein lausiger Bettler! Ich war auf der alten Marlborough , 74 Geschütze, Konteradmiral Rodney!«
Tiefe Stille im Eßraum; und Bolitho sah, daß einige der jüngeren Midshipmen die beiden Invaliden mit Furcht und Schrecken anstarrten.
Der zweite Mann rief besorgt: »Laß gut sein, Ted! Dieser Teufel gibt uns doch nichts.«
»Geben Sie ihnen alles, was sie brauchen!« sagte Dancer. Ärgerlich und verwirrt über seine Impulsivität schlug er
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