Die Feuertaufe
bißchen Licht, das von einem Niedergang herabfiel. Er schrieb an seine Mutter. Er hatte keine Ahnung, ob und wann sie den Brief lesen würde, aber es tröstete ihn, eine Verbindung mit seinem Elternhaus aufrechtzuerhalten.
Durch seine Sonderstellung als Turnbulls Assistent beim Navigationsunterricht, wo er jeden Tag die Seekarte des Steuermanns zu Gesicht bekam, wußte er, daß der erste Teil ihrer Reise fast geschafft war. Viertausend Meilen, hatte der Kapitän gesagt; und beim Studium der Zickzacklinien auf der Karte, an den täglichen Eintragungen der Schiffsposition nach dem Sonneschießen am Mittag, verspürte er wiederum das erregende Vorgefühl, das sich einstellt, wenn das Schiff in Landnähe kommt. Sechs Wochen waren vergangen, seit sie in Spithead Anker gelichtet hatten. Ständig hatten sie kreuzen müssen, ständig die Segel gekürzt und wieder gesetzt. Auf der Seekarte sah der Kurs wie die Spur eines verwundeten Käfers aus. Eine schnelle Fregatte wäre inzwischen längst wieder auf Heimatkurs, dachte Bolitho neidisch.
Seine Hand mit der Feder blieb in der Luft hängen. Rufe vom oberen Deck drangen gedämpft bis zu ihm herunter. Er löschte die Kerze, barg sie sorgfältig in seiner Seekiste und legte den unvollendeten Brief unter das oberste seiner sauberen Hemden.
Als er aufs Oberdeck kam, kletterte er schnell zum Backbord-Decksgang hinüber, wo sich bereits Dancer und Grenfell an den Finknetzen festhielten. Aufmerksam spähten sie zum glitzernden Horizont.
»Land?« fragte Bolitho.
»Nein, Dick, ein Schiff!« Dancer grinste ihn an; sein Gesicht, das in dem hellen Sonnenschein noch gebräunter als sonst aussah, war voller Spannung. Man konnte sich jetzt kaum noch an den Regen und die bittere Kälte erinnern, dachte Bolitho. Die See war so blau wie der Himmel, und die leichte Brise war weder beißend noch drohend, sondern einfach frisch. Hoch über Deck leuchteten die Bram- und Marssegel wie bleiche Muschel-schalen, und am Masttopp stand der Wimpel steif nach Backbord wie eine blutrote Lanze.
»Deck ahoi!« Alles starrte nach oben auf den kleinen schwarzen Fleck, den Ausguck im Masttopp. »Sie tut nich' antworten, Sir!«
Da erst merkte Bolitho, daß es mit dieser Begegnung etwas auf sich hatte. Der Kapitän stand mit verschränkten Armen an der Reling; sein Gesicht lag im Schatten, und dicht neben ihm beobachteten Midshipman Marrack und seine Signalgasten ihre Heißleinen und die bunte Reihe Flaggen an der Großrah, die das Signal »Welches Schiff?« bildeten.
Bolitho reckte sich so weit über die Finknetze hinaus, daß er im Gesicht und auf den Lippen das Sprühwasser der Fahrtwelle spürte. Dann sah er das Schiff, eine Schonerbark mit schwarzem Rumpf, die Segel ungebraßt vor dem Hintergrund des blendenden Horizonts; die Masten schwangen in der Dünung.
Bolitho ging weiter nach achtern und hörte Mr. Hope, den Wachoffizier, ausrufen: »Bei Gott, Sir, wenn der Kerl nicht auf unser Signal antwortet, hat er bestimmt nichts Gutes im Sinn!«
Verling wandte sich scharf zu ihm um; man sah es ihm an seiner Schnabelnase an, wie gereizt er war. »Wenn er wollte, Mr. Hope, könnte er vor dem Wind ausreißen und wäre in einer Stunde nicht mehr zu sehen!«
»Aye, Sir«, steckte Hope die Zurechtweisung ein. Der Kapitän ignorierte sowohl den Wortwechsel als auch die beiden Offiziere selbst. »Geben Sie dem Stückmeister Order, bitte«, sagte er. »Er soll ein Buggeschütz ausfahren und ihm einen Schuß vor die Nase setzen, so dicht wie möglich. Die müssen schlafen oder betrunken sein.«
Aber auf das Krachen eines einzelnen Neunpfünders geschah nichts weiter, als daß eine Anzahl Matrosen der Gorgo n neugierig an Deck gerannt kam. Die Barkentine (wie man in südlichen Gewässern eine Schonerbrigg auch nennt) trieb weiter, ohne zu reagieren; ihre Vormarssegel standen beinahe back, die großen Segel am Haupt- und Kreuzmast zitterten im Dunst der Hitze.
Der Kapitän befahl kurz: »Segel kürzen und beidrehen, Mr. Verling! Und machen Sie das Achterdeckboot klar! Der Kerl gefällt mir nicht.«
Die Pfeifensignale schrillten und zwitscherten um das Hauptdeck, und innerhalb weniger Minuten drehte die Gorgon bei und legte ihren schweren Rumpf in den Wind; jedes Segel, jedes Tauende schlug und knallte in dem Durcheinander.
Dancer kam nach achtern zu Bolitho. »Denkst du . . .«
Er schwieg, als Bolitho ihn flüsternd unterbrach: »Sei still und bleib hier!«
Bolitho beobachtete, wie der Bootsmann Hoggett
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