Die Feuertaufe
Augen lagen im Schatten. »Sie mögen der Sohn eines Fregattenkapitäns sein und der Enkel eines Konteradmirals, aber für mich sind Sie ein Midshipman – das heißt, weniger als nichts.«
»Ich – ich bitte um Entschuldigung, Sir. Ich wollte Sie nicht beleidigen.«
»O ja, ich kenne Ihre Familie.« Tergorrens Atem ging schwer vor Erregung und unterdrückter Wut. »Ich habe Ihr feines Haus gesehen, und die Grabplatten an der Kirchenwand! Also, ich hatte keinen reichen Vater im Hintergrund, der mir half, und bei Gott, ich werde dafür sorgen, daß Sie an Bord keine Extrawurst gebraten kriegen, verstanden?« Er wandte sich ab und dämpfte seine Stimme, was ihn offensichtlich Anstrengung kostete. »Jetzt lassen Sie jemanden eine Leine herunterwerfen und den Leichnam an Deck hieven. Dann lassen Sie die Kajüte aufklaren – hier stinkt's wie unterm Galgen!«
Er faßte ans Stuhlbein. Getrocknetes Blut klebte daran, schwärzlich in dem einfallenden Sonnenlicht.
»Wahrscheinlich gestern«, murmelte er vor sich hin, »sonst wären die Ratten schon hiergewesen.« Dann knallte er sich seinen salzfleckigen Dreispitz auf den Kopf und stapfte aus der Kajüte.
Nachher, als Bolitho und Dancer am Schanzkleid standen und dem Leutnant nachblickten, der sich zur Gorgon hinüberrudern ließ, um Meldung zu erstatten, erzählte Bolitho seinem Freund etwas von dem, was sich zwischen ihm und Tergorren abgespielt hatte. Dancer sah ihn bedauernd an. »Ich wette, er wird deine Idee dem Kapitän als seine eigene unterschieben, Dick. Das sähe ihm ähnlich.«
Bolitho faßte seinen Freund am Arm. Tergorrens letzte Anweisungen, bevor er ins Boot gegangen war, fielen ihm ein: »Halten Sie das Schiff steuerfähig bis auf weitere Order, und schicken Sie einen guten Mann in den Ausguck!« Und dann hatte er, mit einer Geste zu dem Leichnam hin der beim Ruder lag, noch gesagt: »Und werfen Sie da s über Bord! Vermutlich wird der eine oder andere von euch ebenso enden.«
Später blickte Bolitho auf die leere Stelle, wo der Unbekannte gelegen hatte. Fühllos und leblos.
»Ich habe noch mehr Ideen«, sagte er und lächelte dabei, um seinen Ärger zu vergessen. »Wenigstens weiß ich jetzt, warum er mich nicht leiden kann.«
Dancer hatte seine eigenen Gedanken. »Weißt du noch – der arme Invalide im Blu e Post' s Inn? « Er machte eine Handbewegung über die paar Männer an Deck hin. »Er hat gesagt, wir würden beide Kapitäne werden – und, bei Gott, nun haben wir schon ein eigenes Schiff.«
» Klar Schiff zum Gefecht !«
Die Offiziersmesse der Gorgon , direkt unter der großen Kapitänskajüte gelegen, war voller Menschen, vom Schott bis zu den Heckfenstern. Um sie herum lagen die kleinen, weißgestrichenen Offizierskajüten. Die Messe diente als Gemeinschafts- und Speiseraum für die Leutnants, den Steuermann, die Offiziere der Marine-Infanterie, und den Schiffsarzt Laidlaw.
Aber jetzt, im roten Schein der untergehenden Sonne, der durch die Heckfenster einfiel und von den kreisenden Deckenlampen verstärkt wurde, bevölkerte so ziemlich alles die Offiziersmesse, was einen höheren Rang als den eines Maats innehatte, mit Ausnahme derjenigen, die gerade Schiffsdienst taten.
Bolitho und Dancer hatten an einem offenen Fenster an der Backbordseite Platz gefunden und spähten hoffnungsvoll nach einer Erfrischung aus. Aber wenn auch die Offiziersmesse ihren Raum für Dienstbesprechungen zur Verfügung stellen mußte, war sie jedoch anscheinend nicht geneigt, ihre ungebetenen Gäste auch noch zu bewirten.
Den ganzen Tag lang, während die G o rgo n und ihr kleines Begleitschiff unter halb gerefften Segeln geistergleich dahinschlichen, hatten Bolitho und Dancer gegrübelt und spekuliert, wie es weitergehen würde, und was sie wohl dabei für eine Rolle zugeteilt bekämen. Endlich holte ein Boot sie ab und brachte sie auf die Gorgo n zurück. Thorne, der Bootsmannsmaat, bemerkte dazu mit gerade soviel Ironie, wie er glaubte, riskieren zu können: »Ich hoffe, ich kann zu r Not allein fertig werden, bis die jungen Herren zurückkommen, Sir.« Er hatte zehn Dienstjahre bei der Kriegsmarine hinter sich.
Nun beobachteten Bolitho, Dancer und die anderen Midshipmen, von den Leutnants und den Offizieren der Marine-Infanterie vornehm übersehen, die Tür beim Besanmast, der die Offiziersmesse vom Fußboden bis zur Decke durchlief. Es war wie im Theater, wenn man auf das Erscheinen des Hauptdarstellers wartet; oder bei Gericht auf Seine Lordschaft
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