Die Feuertaufe
in der Messe erschauerte Bolitho – er erinnerte sich an die verwitterten Leichname einiger Seeräuber, die vor seiner Heimatstadt Falmouth in Ketten am Galgen baumelten.
»Natürlich«, sprach der Kapitän mit einem Anflug von Sarkasmus weiter, »haben Ihre Lordschaften in ihrer erhabenen Weisheit für diese Aufgabe einen Vierundsiebziger gewählt« – der Steuermann und ein paar von den Älteren nickten grinsend zu diesen Worten -, »ein Schiff, das zuviel Tiefgang hat, um dicht unter der Küste operieren zu können, und das zu langsam ist, um ein Piratenschiff auf hoher See fangen zu können! Immerhin haben wir jetzt die Barkentine. Mr. Tergorren hat sie inzwischen so weit in Ordnung gebracht, daß sie im Dienst des Königs zu verwenden ist.«
Mehrere Köpfe drehten sich nach dem massigen Leutnant um, und Conway fuhr fort: »Er hat mir berichtet, was er über das Schicksal dieses Schiffes festgestellt hat, und daß die Angreifer möglicherweise wegen des Auftauchens eines weiteren Schiffes geflohen sind. Da sich das vermutlich gestern abgespielt hat, können es durchaus unsere Bramsegel gewesen sein, die der Pirat gesichtet hat. Wenn es um diese Zeit war, und wenn man Wind und Strömung in Betracht zieht, kann die Athe n durchaus so im Dunst gestanden haben, daß wir sie nicht stehen konnten, während wir selbst gegen die untergehende Sonne standen, so wie es jetzt wieder der Fall ist.«
Er zuckte die Achseln, als habe er genug von diesen Spekulationen.
»Sei dem, wie ihm wolle – sie haben ein friedliches Kauffahrteischiff beraubt und zweifellos die Mannschaft vor die Haie geworfen oder durch Drohungen gezwungen, sich ihnen anzuschließen, so daß diese Männer zusammen mit ihren Überwältigern hängen werden, wenn wir sie kriegen – und kriegen müssen wir sie!«
Verling merkte, daß der Kapitän Schluß machen wollte.
»Irgendwelche Fragen?« erkundigte er sich.
Dewar, der Major der Marine-Infanterie, fragte unumwunden: »Mit was für Widerstand ist zu rechnen, Sir?«
Der Kapitän blickte ihn sekundenlang stumm an. »Ungefähr eine Meile vor der Küste liegt eine kleine Insel. Vor etwa vierhundert Jahren wurde sie entdeckt und war seitdem meistens besetzt: von den Holländern, den Franzosen und sogar von uns. Gegen Angriffe von der Küste her ist sie gut zu verteidigen. Die See dort ist voller Haie . . .« Er machte eine Pause, und sein Blick wurde ungeduldig.
»Noch Fragen?«
Hope, der Fünfte Leutnant, fragte zögernd: »Wieso gegen Angriffe von der Küste, Sir?«
Überraschenderweise lächelte Kapitän Conway ein bißchen.
»Eine gute Frage, Mr. Hope. Ich freue mich, daß wenigstens einer aufgepaßt hat.« Er ignorierte sowohl Hopes freudiges Erröten als auch Tergorrens finstere Miene. »Aus einem einfachen Grund: die Insel ist als Sammelplatz für Sklaven zur Verschiffung nach Amerika benutzt worden.« Er spürte das plötzliche Unbehagen bei den Offizieren und fuhr unwillig fort: »Ein übles Geschäft, aber nicht direkt illegal. Die Händler sammeln dort ihre menschliche Ware, und jeder, der ihren Ansprüchen nicht genügt, geht zu den Haien. Diese ›Einrichtung‹ hindert auch eventuelle Freunde und Verwandte der Gefangenen, diese vor dem Höllenleben zu retten, das sie erwartet.«
Major Dewar warf seinem Leutnant einen Blick zu und murmelte grimmig: »Bei Gott, denen werden wir's zeigen, was? Sklaverei, so oder so, interessiert mich einen Dreck, aber Piraten sind für mich einfach Ungeziefer.«
Leise sagte Dancer: »Mein Vater hat oft gesagt, Sklaverei und Seeräuberei gehen Hand in Hand. Die einen leben von den anderen, oder wenn es ihnen in den Kram paßt, verbünden sie sich gegen die Staatsmacht.«
Aufgeregt murmelte der kleine Eden: »Wartet b-bloß, bis die Gorgo n euch über den Hals k-kommt!« Er rieb sich die Hände. »Wartet b-bloß ab!«
»Ruhe da drüben!« blaffte Verling. Gelangweilt ließ der Kapitän seine Blicke durch die Masse schweifen. »Wir werden beigedreht liegenbleiben und dann morgen dicht unter Land segeln. Die Küste hier ist sehr gefährlich; ich habe keine Lust, den Kiel auf ein Riff zu setzen. Unser neues Begleitschiff wird die Vorhut bilden. Bei Sonnenaufgang werden die Landekommandos eingeteilt.« Er schritt zur Tür.
»Machen Sie weiter, Mr. Verling!«
Der Erste wartete, bis die Tür sich hinter dem Kapitän geschlossen hatte, und sagte dann: »Wegtreten auf Divisionen.« Dann wandte er sich an den Steuermannsmaaten: »Mr. Ivy, Sie übernehmen di
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