Die Feuertaufe
älteren Männer zu. »Wir legen gleich ab.«
Der Mann grinste. »Ist wohl nicht Ihr erster Bordgang, Sir?« Bolitho fiel neben Dancer in Gleichschritt. »Und der letzte auch nicht.«
Unten am Hafen fanden sie den Bootsmannsmaat im Windschutz der Mauer. Vor ihnen rollte der Solent seine endlose Folge kabbeliger Wogenkämme, und die paar Möwen hoben sich von dem bleiernen Himmel ab wie weiße Schaumfetzen.
Der Maat faßte an seinen Hut. »Ich schlage vor, Sie lassen alle Mann gleich an Bord gehen, Sir. Wir haben 'n ziemlichen Ebbstrom, und der Erste will, daß das Boot vor der Hundewache noch einen Törn macht.« Vertraulich senkte er die Stimme. »Er heißt Mr. Verling, Sir. Lassen Sie sich warnen. Er ist manchmal mit den jungen Herren 'n bißchen scharf. Sollen alles machen, was er macht – so gut sie können.« Er grinste schadenfroh. »Herrgott, sehen Sie diesen Haufen bloß an! Die verspeist er zum Frühstück.«
»Und ich Sie«, herrschte Bolitho ihn an, »wenn Sie nicht sofort mit Ihrem Geschwafel aufhören!«
Der Mann verschwand, und Dancer machte große Augen.
»Die Sorte kenn' ich, Martyn«, sagte Bolitho. »Als nächstes soll ich ihm dann erlauben, daß er rasch mal einen Rum trinken geht.« Er grinste. »Und das würde dem Leutnant hier kaum recht sein, ganz zu schweigen von dem gewaltigen Mr. Verling.«
Da erschien auch schon der Leutnant an der Mauer, mit leicht glasigen Augen. »Marsch, ins Boot! Beeilt euch!«
Leise sagte Dancer: »Mein Vater hatte vielleicht doch recht.«
Bolitho wartete, bis die letzten über die steile Leiter in die stampfende Barkasse geklettert waren.
»Mir tut's nicht leid, daß ich wieder an Bord komme«, sagte er. Und zu seiner eigenen Überraschung stimmte das sogar.
Die Fahrt vom Bootshafen bis zu dem vor Anker liegenden Zweidecker dauerte fast eine Stunde. Dabei hatten diejenigen Midshipmen, die nicht zu heftig brechen mußten, ausreichend Zeit, sich ihre neue Heimat anzusehen, die beim Näherkommen immer höher und mächtiger hinter den unbarmherzigen Regenschauern aufragte.
Bolitho hatte sich bemüht, etwas über sein neues Bordkommando zu erfahren. Die Vierundsiebziger, wie diese massigen Zweidecker bei den Seeleuten hießen, bildeten den Kern der Flotte. In jeder großen Seeschlacht dominierten sie dort, wo am heftigsten gekämpft wurde. Aber er wußte aus Erfahrung, und hatte es auch von alten Seeleuten gehört, daß diese Schiffe untereinander so verschieden waren wie Salz und Sirup.
Während die Bootsgasten die Barkasse über die kabbelige See pullten, behielt er das Schiff im Auge. Er sah die himmelhohen Masten mit den dwars stehenden Rahen, den glänzend schwarzen, braun abgesetzten Rumpf mit der Doppelreihe geschlossener Stückpforten; die rote Nationalflagge am hohen Stern und die kleinere Bugflagge, zwei bunte Farbflecke auf dem grauen Hintergrund von See und Himmel. Die Männer an den Riemen wurden allmählich müde von ihrer schweren Arbeit, immer häufiger mußte der Maat den Takt angeben, um sie im Gleichschlag zu halten, und ständig brüllte und schimpfte der rotgesichtige Leutnant.
Jetzt zogen sie unter dem langen Bugspriet und dem Klüverbaum hindurch, von dem die hellvergoldete Galionsfigur fast bösartig auf die stumm dahockenden Midshipmen herabstarrte. Die Galion der Gorgo n war ein großartiges, wenn auch erschreckendes Stück Holzschnitzerei: eine verschlungene Masse von Schlangenleibern, und darunter ein schönes, finsteres Frauenantlitz mit übergroßen Augen; rote Striche in den Lidwinkeln verstärkten noch den drohenden Ausdruck.
Und dann wurden sie alle zusammen, ein keuchender, strampelnder Haufen, ganz unzeremoniell an der Bordwand hochgeschoben und -gehievt, so daß ihnen das breite Achterdeck, auf dem sie schließlich landeten, vergleichsweise wie ein geschützter, ruhevoller Zufluchtsort vorkam.
»Sie sieht ganz ordentlich aus, Martyn«, sagte Bolitho. Geschwind überflogen seine Blicke die sauber ausgerichtete Reihe der Achterdeck-Neunpfünder, deren schwarze Rohre im Regen glitzerten; die Flaggenknöpfe waren frisch gestrichen, jedes Ende Tauwerk sorgfältig aufgeschossen und verstaut.
Oben in den Rahen und an den beiden Decksgängen, welche das Achterdeck mit dem Vorschiff verbanden, arbeiteten Matrosen. Unter den Decksgängen, in gleichmäßigen Abständen, standen die Achtzehnpfünder der Oberdeckbatterie, während auf dem nächstunteren Deck die stärkste Kampfkraft des Schiffes armiert war: die Batterie der
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