Die feurigen Kuesse des Wuestenprinzen
galoppierte atemberaubend schnell.
Trotzdem holte der Sandsturm sie ein.
Für Maram hörte es sich an, als ob ein Monster brüllend das Maul aufsperrte.
Dann wurden sie verschlungen, während das Brüllen zu einem ohrenbetäubenden Heulen anschwoll. Die Welt verschwand in einer Hölle aus gelbem Sand.
Irgendwann glaubte sie, Amjads Stimme zu hören, die … amüsiert klang! Wahrscheinlich war ihr Gehörgang mit Sand verstopft.
Aber sie hatte sich nicht getäuscht. „So ein haboob hat auch Vorteile. Wenigstens brauchst du jetzt deine Sonnencreme nicht mehr.“
Sie drückte sich gegen ihn und entspannte sich etwas. Vielleicht hatten sie ja doch eine Chance, denn im Angesicht des Todes würde Amjad ja wohl kaum solche Scherze machen. Oder etwa doch?
Maram konnte es kaum glauben, aber Amjad machte seine Witze offenbar auch dann noch, wenn er sich in Lebensgefahr befand.
Auf ihrem endlosen, qualvollen Ritt durch Sand und Wind, wo man die heiße, trockene Luft kaum atmen konnte, raunte er ihr immer wieder beißende Kommentare ins Ohr.
Zielscheiben seines Spotts waren ihr Vater, Ossaylan, Zohayd, die ganze Region, Frauen, Männer, Politik, Wirtschaft und überhaupt alles.
Maram allerdings war nicht zum Lachen zumute.
Alles, was sie in dieser Lage schaffte, war, sich aufrecht auf dem Pferd zu halten, um ihr Vorankommen nicht zusätzlich zu erschweren. Immer wenn Amjad auf sein beleuchtetes GPS sah, richtete sie sich wieder auf.
Aber sie schienen ihrem Ziel nicht näher zu kommen.
Die erste Hälfte des Rittes hatte sie ganz gut überstanden. Das folgende Viertel hatte seinen Tribut gefordert, und das letzte Viertel war kaum noch auszuhalten. Dabei wusste sie nicht einmal, ob diese Einteilung stimmte oder ob sie in Wirklichkeit noch einen viel längeren Weg vor sich hatten.
Konnte sie nicht einfach in Ohnmacht fallen? Amjad würde sie weiterhin gut festhalten, auch ohne ihr Zutun. Wie auf einer langweiligen Autoreise hatte er ihr gesagt, sie könne ruhig eine Weile schlafen. Vielleicht wäre es wirklich das Beste …
Maram schreckte hoch.
Mit schmerzenden Augen blickte sie in ein gelbes Nichts.
Dann fiel ihr alles wieder ein. Das hier war kein Albtraum. Sie war mit Amjad in einem Sandsturm. Ob sie das Bewusstsein verloren hatte oder nur eingeschlafen war, wusste sie nicht.
Amjad kämpfte sich durch den gnadenlosen haboob und hielt sie dabei mühelos fest, als wäre sie federleicht. Bis es irgendwann über von Sand verwehte Stufen nach oben ging, die zur Veranda eines Gebäudes führten. Es konnte eingeschossig sein, vielleicht sah man aber auch nur den obersten Teil eines Schlosses. Die Sichtweite betrug nur wenige Meter.
Aber egal, sie hatten es geschafft. Wie er versprochen hatte.
Wie damals vor langer Zeit trug er sie über die Schwelle und brachte sie damit in Sicherheit. Mit dem Fuß schloss er die Tür hinter ihnen. Hier drin war es angenehm kühl und dunkel.
Während er Maram mit einem Arm weiter festhielt, nahm er die Brille ab. Sie hinterließ Abdrücke in seinem Gesicht; er sah abgekämpft aus. Aber als er hastig die Stoffbahn von ihrem Kopf entfernte, blickte sie in seine unheimlich grünen Augen, mit denen er sie besorgt und – täuschte sie sich? – schuldbewusst ansah.
Aber warum? Schließlich hatte er sie doch gerettet!
Einen Moment ließ sie diesen ungewöhnlichen Ausdruck auf sich wirken. Dann streckte sie sich, damit Leben in ihre Muskulatur zurückkehrte, und nahm die Schutzgläser ab, die sich regelrecht am Kopf festgesaugt hatten.
Endlich bekam sie mühelos Luft. Es dauerte eine Weile, bis sie wieder richtig scharf sah.
Inzwischen trug Amjad schon seine übliche gleichgültige Miene zur Schau. Er zog seine Mundwinkel nach oben, wie nur er es tat, und sagte mit rauer Stimme: „Willkommen in meinem Unterschlupf.“
Sie löste den Blick nicht von ihm, während er sie durch den Korridor trug. Sie hatte das Gefühl, in das Versteck eines Zauberers zu kommen. Und für sie traf das auch zu.
Sie betraten einen großen, rechteckigen Raum mit Wänden aus Lehmziegeln und handgewebten Teppichen auf dem Steinboden. Dieselben kräftigen Farben wie die Teppiche hatten auch die vielen verschieden großen Kissen, die auf einem langen, gemütlichen Sofa lagen. Davor stand ein niedriger Eichentisch.
Wie Maram jetzt sah, schlossen sich links und rechts des Korridors zwei weitere Bereiche an, sodass der gesamte Raum eigentlich u-förmig war. In einem der Räume befand sich ein Kamin, der aus
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