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Die Fieberkurve

Die Fieberkurve

Titel: Die Fieberkurve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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überhaupt nicht zugehört, sondern mehr dem Klange der Rede gelauscht und ihn mit dem Tonfall jener anderen Stimme verglichen, die ihn am Telephon ausgelacht hatte. Der Pater sprach ein ausgezeichnetes Hochdeutsch, nur hin und wieder, bei Worten wie »gedacht« und »leicht« klang das »ch« gaumig-schweizerisch... Die Stimme war eine richtige Kanzelstimme, tief, orgelnd, und sie paßte eigentlich nicht recht zu dem dürftigen Körper. Aber Stimmen kann man verstellen, nicht wahr? In der kleinen Pariser Beize hatte die Stimme etwas anders geklungen, ein wenig höher vielleicht. War die französische Sprache, die der Pater damals gebraucht hatte, an dieser Verschiedenheit schuld?
    Studer bückte sich plötzlich und hob das Schloß vom Boden auf. Er betrachtete es aufmerksam, sah dann in die Höhe und seine Blicke suchten nach dem Gaszähler. Er war nicht in der Küche. Gerade über der Flurtür hockte er und sah genau so grün und feist und grimassierend aus wie sein Bruder in Basel...
    Und der Hebel, der als Haupthahn funktionierte, stand schief. Er stand schief und bildete einen Winkel von fünfundvierzig Grad...
    Studer betrachtete wieder das Schloß in seiner Hand. Da hörte er die Kanzelstimme sagen:
    »Falls Sie eine Lupe brauchen sollten, Inspektor, so kann ich mit einer solchen dienen. Ich beschäftige mich nämlich mit Botanik und Geologie und trage darum immer ein Vergrößerungsglas in der Tasche...«
    Der Wachtmeister blickte nicht auf, er hörte die Federn des Klubsessels ächzen, dann wurde ihm etwas in die Hand geschoben – er hielt das Glas vors Auge...
    Kein Zweifel, rund um das Schlüsselloch waren graue Fäserchen zu sehen, besonders am vorstehenden, oberen Rand, so, als habe sich ein Schnürlein an der scharfen Kante gewetzt.
    ... Und der Haupthahn bildete einen Winkel von fünfundvierzig Grad!
    Verrückt!... Angenommen, die alte Frau hatte ein Schlafmittel genommen und war darauf in ihrem ledernen Klubsessel eingenickt – wäre es da für den mutmaßlichen Mörder nicht einfacher gewesen, im Vorbeigehen den Haupthahn zu öffnen und sich dann still zu entfernen?... Wenn nämlich ein Mord vorlag...
    Warum unnötig komplizieren? Eine Schnur am Haupthahn anbringen, sie oben über die Gasröhre führen, das Ende der Schnur durchs Schlüsselloch stecken und dann von außen ziehen, ziehen, bis die Schlinge vom eisernen Hebelschlüssel abrutschte und man die Schnur hinausziehen konnte?...
    »Alte Frauen haben einen leisen Schlaf...«, sagte Pater Matthias. Lächelte er? Es war schwer festzustellen, trotz der spärlichen Schnurrbarthaare, die über seinen Mund fielen wie ein feingehäkelter Spitzenvorhang. Aber er hielt den Kopf gesenkt und ließ seine rote Mütze kreisen. Ein Sonnenstrahl fiel durchs Küchenfenster und um die Tonsur am Hinterkopf glitzerten die kurzen Haare wie Eis...
    »Danke«, sagte Studer und gab die Lupe zurück. Der Pater ließ sie in seiner grundlosen Kuttentasche verschwinden, zog die Tabaksdose hervor, schnupfte ausgiebig und sagte dann:
    »Damals, in Paris, als mir die Ehre zuteil wurde, Ihre Bekanntschaft zu machen, mußte ich so plötzlich aufbrechen, daß es mir versagt geblieben ist, Ihnen andere wichtige Details zu erzählen...« Stocken... »... über meinen Bruder, meinen zu Fez verstorbenen Bruder.«
    »Wichtiges?« fragte Studer und hielt den angebrannten Strohhalm unter die Brissago.
    »Wie man's nimmt.« Der Pater schwieg, spielte mit seiner Scheschia, schien plötzlich einen Entschluß gefaßt zu haben, denn er stand auf, die vertätschte Kappe ließ er auf dem Stuhl liegen und sagte:
    »Ich werde Ihnen einen Kaffee brauen...«
    »Mira...«, murmelte Studer. Er saß auf einem weißgescheuerten Küchenhockerli neben der Tür und hatte die Augen bis auf einen schmalen Spalt geschlossen. Nur die Verwunderung verbergen, dachte er, und besonders die Neugierde! Der Mann dort hatte es darauf abgesehen, ihn zu verwirren. Denn: Tatsache war, daß in dieser Küche vor nicht langer Zeit eine alte Frau ums Leben gekommen war. Aber der Pater schien nicht einen Augenblick an diese Tatsache zu denken, er nahm eine Pfanne, füllte sie am Wasserhahn, stellte sie auf einen Brenner. Dann scheuchte er den Wachtmeister von seinem Hockerli auf, bestieg den Schemel, um den Haupthahn ganz aufzudrehen, nun stand er senkrecht, kletterte herab und sagte zerstreut: »Wo mag wohl der Kaffee sein?«
    Und Studer sah das Holzgestell über dem Gasréchaud in der Küche am Spalenberg und die

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