Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die fiese Meerjungfrau

Die fiese Meerjungfrau

Titel: Die fiese Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim C. Hines
Vom Netzwerk:
die Reling setzte.
    Die Meerjungfrau krümmte sich, um den Seilen auszuweichen. Sie schwankte, als sie landete, und rammte das Ende ihres Speers ins Deck, um das Gleichgewicht zu halten. Ihre Schwänze waren Füßen gewichen. Unter Danielles Augen legten sich die Flossen, die an den Außenseiten von Lireas Beinen entlangliefen, flach an ihre Haut an und verschwanden. Die Schuppen an ihren Füßen und Knöcheln senkten sich in die Haut und hinterließen dünne Rinnsale wässrigen Bluts. Ihre übrigen Schuppen blieben erhalten, wie ein purpurner Panzer, der ihre Beine und Taille schützte.
    Lirea war dünner als die anderen Undinen; ihre Haut zeichnete Rippen und Schlüsselbein deutlich nach. Wäre sie ein Mensch gewesen, hätte Danielle sie auf achtzehn oder neunzehn Jahre geschätzt. Ein abgenutzter Gurt kreuzte sich zwischen kleinen Brüsten; an seiner Seite hing ein Dolch, dessen Heft nach vorn ragte. Sie trug eine Halskette aus polierten Austernschalen, die an ihrer schlanken Gestalt viel zu groß wirkte. An einem Ohr glänzte ein kleiner Goldreif.
    Bevor Danielle eine Bewegung machen konnte, richtete Lirea ihren Speer auf die Königin. Sie hustete und spuckte Meerwasser aufs Deck, dann sagte sie: »Ihr haltet euch widerrechtlich in unseren Gewässern auf!«
    Ihre Stimme war heiser, als erholte sie sich von einer schlimmen Erkältung. Danielle machte Anstalten, sich zwischen die beiden Frauen zu stellen, doch Lirea holte mit dem Speer aus und schnitt ihr in den Arm. Blut sickerte in ihren Ärmel.
    »Du siehst gut aus, Lirea«, sagte Beatrice ruhig. »Wo ist dein Vater?«
    Lirea kam näher heran und drängte Beatrice zurück, bis sie an der Reling stand. Die Meerjungfrau warf einen Blick auf die Kiste. Mit angewiderter Miene stemmte sie einen Fuß dagegen und schob. Die Kiste rutschte von der Back und krachte aufs Hauptdeck. »Wir sind Undinen. Wir brauchen kein Menschenobst. Wenn ihr wünscht, unseren Ozean in Frieden zu bereisen, dann bringt uns Gold! Gold und meine Schwester!«
    »Deine Schwester?« Beatrice blickte flüchtig aufs Hauptdeck, wo Armand und die Matrosen sich schon mit Armbrüsten und Speeren versammelt hatten.
    »Spiel keine Spielchen mit mir!«, sagte Lirea. »Ich höre alles! Ich habe gehört, dass du ein Komplott mit Lannadae und meinem Vater geschmiedet hast, ebenso wie ich höre, dass die da unten vorhaben anzugreifen.« Sie stieß Beatrice den Speer in die Seite, so fest, dass die Königin keuchte. Ein kleiner Kreis aus Blut verdunkelte ihr Hemd unter der Jacke.
    »Es ist nichts«, wisperte Beatrice und winkte Danielle zurück.
    Lirea wandte sich Armand und der Mannschaft zu. »Noch ein Schritt, und sie stirbt!«
    Armand hob die Hand. »Lass meine Mutter gehen, und ich werde -«
    »Ich bin die Königin des Ilowkira-Stammes!«, rief Lirea. »Ich spreche mit eurer Königin und allein mit ihr!«
    »Du hast Posannes umgebracht.« Beatrice ignorierte die Waffe, die ihr in die Rippen gedrückt wurde. »Genau wie du Levanna umgebracht hast.«
    Wasser tropfte an Lireas Gesicht herunter; es sah aus, als würde sie weinen. »Sie haben mich verraten. Jeden Tag raunen die Wellen von ihrem Verrat.«
    Eine Bewegung bei der Takelage erregte Danielles Aufmerksamkeit: Talia erklomm eins der Seile auf der Backbord-Seite. Sie war bereits weit genug oben, um auf die Back springen zu können, aber nicht einmal Talia war schnell genug, um Lirea aufzuhalten, ehe sie Beatrice töten konnte. Nicht, wenn nicht etwas passierte, das die Undine ablenkte.
    Danielle wusste wenig über Schiffe, aber sie war oft genug an den Docks gewesen, um die Ratten an den Tauen entlangklettern und über Fässer und Kisten huschen gesehen zu haben, ebenso wie sie die Katzen die Hafenanlagen auf Beutesuche durchstreifen gesehen hatte. Jedes Schiff beherbergte weit mehr als bloß seine Besatzung.
    Danielles ganzes Leben lang hatten Tiere ihr geholfen. Tauben und Ratten waren ihr bei der Hausarbeit behilflich gewesen, indem sie den Kamin sauber gemacht oder im Garten Schnecken aus den Beeten gepickt hatten. Jahre später hatten dieselben Tauben ihre Stiefmutter geblendet und ihre Stiefschwestern entstellt. Als ihre Stiefschwestern Danielle entführt hatten, hatten die Ratten ihr bei der Flucht geholfen.
    Es war damals gewesen, in der Gefangenschaft ihrer Stiefschwestern, dass sie gelernt hatte, ohne Worte mit den Tieren zu sprechen. Sie wusste nicht, wie oder wieso sie sie verstanden. Vielleicht war es ein weiteres Geschenk ihrer Mutter;

Weitere Kostenlose Bücher