Die Finsternis
wenige Zentimeter vor der Nase, hatte ich keine Möglichkeit zu entkommen. Ich warf einen Blick auf den Mann neben dem wütenden Surf. Seine Hose und seine Schuhe waren aus Aalhaut und ich vermutete, dass er Walmelker auf einem Township war. Sein Hemd war offen und um seinen Oberkörper waren blutige Verbände gewickelt. Immerhin sah er nicht so aus, als hätten ihn meine Worte ebenfalls beleidigt.
»Der Herausforderer ist ein Freund von mir«, sagte ich und versuchte ruhig zu klingen, obwohl mir das Herz bis zum Hals schlug. »Und hier ist mein Tipp: Ihr wärt schön blöd, wenn ihr euch die Gewinnchancen bei dieser Wettquote entgehen lassen würdet.«
Der Surf mit dem Hackmesser erwiderte nichts. Offensichtlich überlegte er noch, ob er mich am Leben lassen sollte.
Doch dann ergriff der zweite das Wort. »Ihr müsst echt gute Kumpel sein«, spottete er und zeigte mit dem Arm ringsum, »wenn du seinetwegen hier oben im Nasenbluten-Bereich zwischen uns – dem menschlichen Abschaum – festsitzt.«
»Ich wollte mal wissen, wie es von hier oben aussieht. Ich kann jederzeit wieder runtergehen.«
Der Kerl amüsierte sich offensichtlich köstlich über mich, denn er lachte herzhaft. Plötzlich hielt er jedoch inne und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den verbundenen Bauch.
Rinnsale aus Schweiß liefen über meine Stirn und hinterließen Streifen auf der Zinksalbe. Das Letzte, was ich jetzt brauchte, war, dass diese beiden Typen meinen Schein entdeckten und mich als Siedler entlarvten. Ich zwang mich, ruhig zu blieben. »Ihr werdet schon sehen. Ich werde gleich runtergehen, und wenn ich am Ring bin, nehme ich meinen Hut ab und winke euch zu.«
»Pass auf, das ist der Deal«, sagte der erste Mann, noch immer ernst wie eine Leiche. »Du erzählst mir von dem Herausforderer und ich werfe dich nicht von hier oben runter.«
Als ich nicht antwortete, mischte sich erneut der zweite Kerl ein. »Nimm das Angebot lieber an, Fischer. Wir sind auf der siebten Ebene. Wenn Levee dich runterwirft, stehen deine Überlebenschancen so zwanzig zu eins, wette ich.« Frisches Blut sickerte aus dem Verband und er presste eine Hand auf die Stelle. In Anbetracht der Menge des Blutes und der Größe des Verbandes mussten die Schmerzen fast unerträglich sein. Allein die Tatsache, dass der Mann überhaupt noch eine Unterhaltung führen konnte, war schockierend.
»Also los, von welchem Township ist er?«, fragte der Mann namens Levee, während er sein Hackbeil zurück in den Gürtel steckte.
»Er ist kein Surf«, antwortete ich.
Keiner der beiden Männer glaubte mir.
»Das Ganze wird nicht ohne Grund Surf-Boxen genannt«, sagte der zweite.
»Steht in den Regeln, dass du ein Surf sein musst?«
»Welche Regeln denn?«, höhnte Levee. »Nur Surfs sind zäh und verbittert genug, um in diesen Ring zu steigen.«
»Zäh und verbittert ist er auch.« Ich senkte die Stimme, sodass nur die beiden mich verstehen konnten. »Er ist der Anführer der Seablite-Gang.«
Was auch immer sie erwartet hatten, damit hatten sie nicht gerechnet. Ich hatte sie wirklich überrascht. Also setzte ich noch einen drauf. »Er verfügt über eine Dunkle Gabe. Diese Tätowierungen auf seinem Rücken und den Armen sind gar keine echten Tätowierungen. Er kann die Farbe seiner Haut ändern und das von einer Sekunde auf die andere. Er kann sich so gut an seine Umgebung anpassen, dass der andere Typ ihn nicht einmal mehr sehen kann.«
Ich hatte bei diesen Worten kein schlechtes Gewissen, denn Shade hatte damals auch einfach herausposaunt, dass ich eine Dunkle Gabe besaß. Er würde seine Gabe bestimmt nicht verbergen. Ich war mir sicher, dass er sie benutzen würde, um heute zu gewinnen.
»Das ist mal ’ne verdammt gute Geschichte«, sagte der zweite Kerl beeindruckt, aber auch skeptisch.
»Ich glaube nicht, dass er lügt, Krait.« Levee musterte mich.
»Ich sage die Wahrheit. Ihr könnt euch nachher davon überzeugen. Und wenn ihr euer Geld bei diesen Quoten nicht setzt, werdet ihr es bereuen.«
Levee nickte. »Also gut, Fischerjunge. Da ich ein Zocker bin, lasse ich es drauf ankommen.«
»Diese Information muss etwas wert sein«, sagte ich und versperrte Levee den Weg. Meine Familie war plötzlich auseinandergerissen worden, was hatte ich noch zu verlieren? »Bitte erzähl mir von der Drift «, bat ich leise. »Ich habe einen persönlichen Grund, danach zu fragen. Und ich werde auch nichts weitersagen.«
Ein ängstlicher Schatten jagte über sein
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