Die Finsternis
meinen Schein, der sich gerade heiß und leuchtend wie die untergehende Sonne anfühlte.
»Das ist Ty«, teilte Eel den Outlaws mit. Dann deutete er auf einen Gesetzlosen, den ich in einer Gegenüberstellung jederzeit wiedererkennen würde – den großen Kerl mit den spitzen Zähnen. Nur dass er jetzt nicht lächelte, um sie zu zeigen.
»Hatchet«, stellte Eel uns einander vor.
Hatchets schwacher Schein ließ seine hellbraune Haut wie Bernstein leuchten. Er erkannte mich offenbar auch wieder, denn seine schwarzen Augen verengten sich zu Schlitzen, während er mich musterte. Meinetwegen hatte er sich vor ein paar Monaten den Arm in einer Luke eingeklemmt. Er schien sich aber wieder vollkommen erholt zu haben, denn jetzt schlossen sich seine Finger zu einer Faust.
Eel zeigte auf zwei weitere Outlaws am Geländer und sagte: »Das sind Trilo, als Abkürzung für Trilobite, und Kale.«
Wenn er ihre Namen der Reihenfolge nach genannt hatte, dann musste Trilo der drahtige Kerl sein, der sich so sehr auf das Wasser im Bohrschacht konzentrierte, dass er Eel nicht einmal gehört hatte. Er war wahrscheinlich von allen aus der Gang meinem Alter am nächsten. Der Rest hatte mir wenigstens zwei Jahre voraus, bis auf Kale, der groß gewachsene Typ neben Trilo. Er war wahrscheinlich fast so alt wie Shade und wirkte nicht so sehr wie ein Outlaw. Abgesehen von der Narbe an seiner Wange hätte Kale mit seinen gekämmten braunen Haaren, dem offenen Blick und der knielangen, zugeknöpften Weste als Topsider-Lehrling durchgehen können. Er war sogar so höflich, zum Gruß die Flasche mit Blasentang-Bier zu heben.
Neben mir atmete Gemma scharf ein. »Was ist in dem Becken?«
Erst jetzt bemerkte ich, dass die Wasseroberfläche so aufgewühlt war, weil sich im Becken etwas bewegte.
Trilo drehte sich um und sah uns an. Seine Augen hatten die Farbe von radioaktiven Algen. Es hätte bei jedem unheimlich ausgesehen, doch durch seine dunkle Haut mit dem blassen Schein schien das giftige Grün regelrecht zu leuchten. »Aale«, sagte er und fummelte an den vielen Amuletten herum, die an seinem Hals baumelten.
Darauf hatte er also gestarrt … und zwar äußerst besorgt.
Gemma verzog das Gesicht. »Kein Wunder, dass da niemand reinfallen will.«
Eel und Kale wechselten einen Blick, der einen Verdacht in mir weckte. »Was für Aale?«, fragte ich.
»Neunaugen«, erwiderte Kale bemüht beiläufig.
Mein Blick wanderte zu Shade. Er musste gewusst haben, worauf er sich da einließ. Doch welcher vernünftige Mensch würde freiwillig auf ein Floß steigen, das in einem Becken voller Neunaugen schwamm? Und noch dazu darauf boxen wollen?
»Ist Rip Tide von einem Netz umgeben?«, fragte ich. »Werden sie auf diese Weise drin gehalten?«
Eel nickte. »Es wurde um die Beine der Bohrinsel gespannt.«
Gemma sah von ihm zu mir und versuchte, aus unserem Gespräch schlau zu werden. »Gehören Neunaugen-Aale zu dieser elektrischen Sorte?«
»Nein«, sagte ich nur, denn ich wollte sie nicht noch mehr aufregen.
»Die geben nicht mal einen Funken ab«, fügte Eel hinzu, offensichtlich mit derselben Absicht.
Hatchet grinste und entblößte dabei seine gebleichten, spitzen Zähne. »Sie gehören eher zu der Ich-saug-dich-aus-Sorte.«
Ich hätte ihm eine verpassen können – auch wenn er einen Kopf größer war als ich.
»Was soll das heißen?«, rief Gemma.
Eel zuckte die Schultern, als sei das keine große Sache. »Sie saugen sich fest. So ähnlich wie Blutegel.«
»Nur dass Blutegel nicht über einen Meter lang sind und keinen Rachen voller Zähne haben«, gluckste Hatchet.
Als ich Gemmas entsetzten Gesichtsausdruck sah, bestätigte sich mein erster Eindruck. Hatchet war jetzt offiziell das Gangmitglied, das ich am wenigsten leiden konnte.
Shade warf Pretty das Kreidestück zu und erhob sich. Er schien von all dem völlig unbeeindruckt zu sein. Mit so einem Selbstvertrauen musste er einfach gewinnen, redete ich mir ein. Es mochte da draußen ein paar Männer geben, die größer waren als er – obwohl ich noch nie einem begegnet war –, doch ich konnte mir niemanden vorstellen, der zäher war.
Ich zwang mich, auf ihn zuzugehen. »Danke, dass du Fife dazu gebracht hast, mit mir zu sprechen.«
»Du hast ihr ein Zuhause gegeben«, erwiderte er mit einem Nicken in Gemmas Richtung.
Unsere Blicke trafen sich. Offensichtlich hatte sie Shade nicht erzählt, dass sie die letzten Monate auf der Handelsstation gelebt hatte. Mit einem kurzen
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